Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–1847) Quartett d-moll MWV Q 10
herausgegeben von Wulf Konold [Vl,Va,Vc,Klav]
Der jugendlich unbekümmerte „Wurf“ des 12-jährigen Komponisten nimmt Einflüsse Haydns, Mozarts und Schuberts auf und gelangt dennoch zu einem individuellen Ergebnis.
64 Seiten | 23 x 30,5 cm | 252 g | ISMN: 979-0-2004-8283-6 | Broschur, Fadenheftung
Die Jugendwerke Felix Mendelssohn Bartholdys, die zu Lebzeiten des Komponisten ungedruckt blieben, sind erst seit gut fünfunddreißig Jahren ins Blickfeld der Musikwissenschaft und damit auch der Musikpraxis gerückt. Als man sich im Jubiläumsjahr 1959 entschloß, mit der „Leipziger Ausgabe“ seiner Werke eine kritische, allen philologischen Erfordernissen entsprechende neue Gesamtausgabe herauszubringen, stand das unpublizierte Jugendwerk – also die zwischen 1821 und 1825 entstandenen Kompositionen des damals zwölf- bis sechzehnjährigen Komponisten – im Vordergrund: veröffentlicht wurden die Streichersinfonien, Solokonzerte, das Singspiel Die beiden Pädagogen und geistliche Musik.
Aber auch die Kammermusik stand früh im Blickfeld des jungen Mendelssohn: es entstanden Sonaten für Violine, Viola und Klarinette mit Klavier, eine Reihe von Streichquartettfugen sowie ein Streichquartett Es-Dur, ein Klaviertrio c-Moll in der unkonventionellen Besetzung mit Violine und Viola – und eben das hier erstmals im Druck vorgelegte Klavierquartett d-Moll, das – folgt man dem stilistischen Befund sowie der Überlieferung des Manuskripts – wohl im Sommer oder Herbst 1821 geschrieben sein dürfte, also in unmittelbarer Nachbarschaft zu den ersten Streichersinfonien.
Dieses Klavierquartett des zwölfjährigen Mendelssohn spiegelt in vielen Details das intensive Studium der Musik Mozarts, weist aber darüber hinaus bereits durchaus individuelle Züge auf. Das Werk ist dreisätzig, enthält also – anders als die zwischen 1822 und 1825 komponierten Klavierquartette op. 1, 2 und 3 – keinen Tanzsatz: auf den in der Sonatenform gehaltenen Kopfsatz, dessen harmonische Rückungen bisweilen schon an Schubert erinnern (ohne daß ihn Mendelssohn damals schon gekannt haben könnte) folgt ein romanzenartiges ,Andante‘ mit figurativ bewegtem Mittelteil (stilistisch geprägt durch die Romanze von Mozarts Klavierkonzert KV 466) und ein im Stile Haydns ,ungarisierendes‘ Finalrondo voller munter-unterhaltsamer Einfälle.
Das Autograph des Klavierquartetts d-Moll ist in Band 3 der sogenannten „grünen Bände“ überliefert, die den größten Teil des autographen musikalischen Nachlasses ausmachen und heute in der Musikabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz aufbewahrt werden. Dieses Autograph, aus dem nicht ersichtlich ist, ob das Werk zu Mendelssohns Lebzeiten jemals aufgeführt wurde, war die Vorlage für die hier erstmals im Druck erscheinende Ausgabe des Werkes, die sich – im Sinne moderner Textkritik - streng an der kompositorischen Absicht Mendelssohns orientiert und lediglich dort verändernd in den vorliegenden Text eingegriffen hat, wo offensichtliche Fehler oder Flüchtigkeiten dies notwendig machten. Diese Veränderungen sind ebenso kenntlich gemacht wie die Ergänzungen des Herausgebers, die sich vor allem auf fehlende Akzidentien sowie auf Vorschläge zur Dynamik und Phrasierung beziehen.
Die Ausgabe wurde in den Jahren 1983/84 erarbeitet und zuerst für eine Gesamtaufnahme der vier Klavierquartette Mendelssohns verwendet. Die öffentliche Uraufführung des Klavierquartetts d-Moll fand am 7. September 1986 in Berlin statt.
Die im Anschluß an diese Aufführung geplant gewesene Drucklegung verzögerte sich aus verlagsinternen Gründen. Um so erfreulicher ist, daß das Quartett nun in einem weiteren Jubiläumsjahr erstmals im Druck vorgelegt werden kann. Mein Dank gilt der Musikabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin, die mir das Manuskript zugänglich gemacht und der Publikation zugestimmt hat, sowie dem Verlag, der das Werk jetzt – einhundertfünfundsiebzig Jahre nach der Entstehung – der Musikpraxis zur Verfügung stellt.
Wulf Konold, Frühjahr 1997
1. Allegro molto |
2. Andante |
3. Finale: Allegro molto |