Helmut Lachenmann (*1935) Souvenir
[41Instr] 1959 Dauer: 15'
6(Picc).0.6(A-. Klar[Es].B-Klar).0.- 0.0.0.0. – Xyl(oder Xylomarimba) – Klav – Str.: 0.0.11.8.8.
Uraufführung: Stuttgart (Tage für Neue Musik), 11. November 1994
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Die Durchführung eines Prinzips von vielfach sich überlagernden Klängen, die in sich auf verschiedene Weise differenziert wurden (verschiedene Vibrationsgeschwindigkeiten, Veränderung in Dynamik und Farbe, Bewegung und Verteilung im Raum), schafft eine Emotion des Ausdrucks, die auf das Prinzip selbst zurückwirkt und es schließlich verändert, so daß viele Überlagerungen endlich in einen Klang (Partitur S. 27 ff.) zusammenschießen, der als ganzer gleichsam dasteht, wobei alle musikalischen Bewegungen sich innerhalb dieses Klangs vollziehen. Zugleich verändert sich dieser Klang allmählich und zerbröckelt bis zu einzelnen, in sich nicht weiter differenzierten Tönen (Partitur S. 33 ff.), die sich dafür zu verschiedenen Gruppen verbinden. Diese wiederum kristallisieren sich zu Klängen. Der Kreis scheint geschlossen (Partitur S. 47), das Prinzip differenzierter Klangüberlagerungen wieder hergestellt; es wird erneut durchgeführt, dabei aber diesmal so radikalisiert, daß es sich auflöst in eine Bewegung von vielen Einsätzen und sich in deren Statik verliert.
(Helmut Lachenmann, 1962)
Souvenir ist in Venedig während meiner Lehrzeit bei Luigi Nono entstanden. Der Titel signalisiert den Abschied von dieser Phase meiner kompositorischen Entwicklung. Im Umgang mit den Tönen und Dauern lehnt sich das Stück an damalige punktuelle Praktiken meines Lehrers an. Die völlig anders gerichtete Zielsetzung und entsprechend abweichende Faktur ist dennoch deutlich. Anstelle der expressiv sprechenden Strukturgebilde Nonos ergibt sich in meinem Stück ein einziger großzügig angelegter, quasi vegetativer Prozeß, ein Gestaltkomplex, dessen Konturen durch permanente Verschiebung im Klangraum und gleichzeitig durch verschieden dicht organisierten Abtausch der Einzeltöne zwischen den Instrumenten beziehungsweise Instrumentalfarben ab- und umgewandelt werden. Was also an Gestalten und expressiven Momenten entsteht, ist und versteht sich als indirektes Produkt permanenter Übergänge. Das Material beobachtet seine eigene Kristallisation zur Sprache. Das Klangbild ist geprägt von einer Streicherbesetzung ohne Violinen, wobei die extremsten Färbungen, Flageoletts und Pizzicati durch Klarinetten beziehungsweise Xylorimba und Klavier aufgegriffen und verselbständigt werden.
(Helmut Lachenmann, 1979)
Bibliografie:
Hiekel, Jörn Peter: Helmut Lachenmann und seine Zeit, Laaber: Laaber 2023, S. 85f.