Adriana Hölszky (*1953) Segmente I
für 7 Klangzentren [Sept] 1992 Dauer: 15'
Picc.Euph.Kb.Akk.Cimb.Klav.Schl
Uraufführung: Witten (Wittener Tage für neue Kammermusik), April 25, 1992
Interessant an der Arbeit mit den Variations ll war die Herausforderung, aus wenigen Elementen - Elementen der bildenden Kunst - die Determination vieler Parameter zu erhalten. Analog zu den Folien mit den Linien und Punkten habe ich zunächst ein eigenes Grundmuster, eine Matritze erstellt. Von diesem Ursprung bin ich durch verschiedene Grade der Ausarbeitung in den verschiedenen Dimensionen - also Klangfarbe, Ereignisdichte, Dynamik, Tempo etc. - zu meinem Stück gelangt.
Dabei war meine Absicht, Variation für Variation weiter zu variieren. Als einige Segmente fertig waren, habe ich Varianten von Ausarbeitungen vorgenommen, also dasselbe harmonische Feld, dieselben zeitlichen Abstände verwendet, diese aber anders instrumentiert. Dieser Gedanke von Variation ist an der bildenden Kunst orientiert. Es ist, als wenn man mehrere Abdrucke von einer Matrix hat, die anders gefärbt sind. Mit einer so abstrakten und zugleich strikten Vorlage wie den Variations II gelangt man theoretisch nie an einen Endpunkt, weil die Matrize immer anders ausgearbeitet werden kann. Durch die Ausarbeitungen dieser Urmatrize sind schließlich fünfundzwanzig Segmente entstanden. Meistens sind es Ein- oder Zweiklänge, die zwischen den Instrumenten verteilt sind, sodaß eine Färbung des Zweiklanges wie eine Orchestration wandert, da die Klangzentren - die Instrumentalisten - unregelmäßig im Raum verteilt sind. So entstehen wandernde Klangfarbenmelodien, die, obwohl nur wenige Töne verwendet wurden, oft in eine Heterophonie münden.
Das Schlagzeug ist von den anderen Instrumentalisten völlig getrennt. Es unterbricht sie zumeist brutal und setzt solistische Einschübe zwischen die Segmente. Die Dauer jedes Einschubs korrespondiert meistens mit seiner Ordnungszahl; d.h. der erste Einschub dauert eine Sekunde, der zweite zwei Sekunden, der dritte drei, etc. Auch die Zahl der Instrumentalfarben entspricht der Anzahl der Einschübe, da bei jedem Einschub eine neue Farbe hinzu addiert wird. Der Gebrauch unkultivierter Percussioninstrumente wie Waschbrett, Stahlbratpfannen und Regenrinnen sind ein Anklang an die Schlagzeugstücke von John Cage.
In meinen Segmenten für sieben Klangzentren habe ich Cages Variations II als Anregung benützt, sie sind eine Art von Kommentar, aber keine Interpretation. Außer vielleicht der Partie des Schlagzeugs, dessen Einschübe wie ein Fenster zu den Variations II sind, da die Ereignisdichte und andere Parameter des Schlagzeugs direkt durch den Umgang mit den Folien ermittelt wurden.
(Adriana Hölszky)
CD:
Carine Levine (Flöte), Teodoro Anzellotti (Akkordeon), Michael Svoboda (Euphonium), Rumi Ogawa-Helferich (Cimbalon), Yukiko Sugawara (Klavier), Edith Salmen-Weber (Schlagzeug), Johannes Nied (Kontrabass), Ltg. Alexander Winterson
CD WD 03 (Wittener Tage für Neue Kammermusik 1992)