Adriana Hölszky (*1953) Tragödia (Der unsichtbare Raum)
Ein Werk mit theatralischen Räumen [Ens,Tb] 1996/97 Dauer: 60'
1(Picc.A-Fl.Blfl)1.1(Klar[Es].B-Klar.Kb-Klar).0. – 0.1.2.1. – Schl(2) – Klav(Cel)Cemb.Akk – Git.Hfe – Str:1.0.1.1.1. – Tb
Uraufführung: Bonn, Bundeskunsthalle, 29. Mai 1997
Es gibt zwar einen Text (von Thomas Körner), aber der erscheint nicht. Ich kenne ihn zwar, aber ich habe daraus auch nur Strukturen genutzt, Verszahlen gezählt, und daraus die Länge der Abschnitte in den Sektionen bestimmt. Klanglich kommen immer wieder Situationen oder Säulen, die einen Ablauf unterbrechen. Schnittstellen. Vielleicht hat das etwas mit dem Tragischen zu tun, das Körner in antiken Allegorien versammelt. Das Ganze hat 13 Abschnitte, die unterschiedlich lang sind und Subsektionen haben. Es ist wie eine Plastik. Die Materialien haben so die Funktion, die eigentlich die Figuren hätten.
Das Werk möchte Klangenergien zum Vorschein bringen, die durch Fündigwerden immanenter musiktheatralischer Klangstrukturen entstehen. Es sind eigentlich Klangerinnerungen, die durch Kontrastpaare in Spannung kommen: maximale Dichte, höchste Individualisierung, extreme Register- und Geschwindigkeitskontraste etc.
Wenn Nietzsche (in „Die Geburt der Tragödie“) schreibt:
„... und vielleicht erinnert sich mancher, gleich mir, in den Gefährlichkeiten und Schrecken des Traums sich mitunter ermutigend und mit Erfolg zugerufen zu haben: Es ist ein Traum! Ich will ihn weiter träumen!“, so deutet dies gerade auf den Kern dieser Komposition.
Die Funktion der Live-Elektronik und des Zuspielbandes ist mehrdeutig. Es gibt in diesem Werk 14 Tutti-Abschnitte und 13 übergeordnete Ensemble-/Soli-Abschnitte, die ihrerseits mehrfach und unterschiedlich gegliedert sind.
Immer wieder wird das Gefüge mit Brüchen versehen, die wie große Klangscheren funktionieren.
(Adriana Hölszky)
CD:
musikFabrik, Ltg. Johannes Debus, Otto Kränzler und Melvyn Poore (Klangregie)
CD wergo 6707 2
Bibliografie:
Borchard, Beatrix: Der unsichtbare Raum. Zur Entstehung innerer, unsichtbarer Klangräume, in: Adriana Hölszky, hrsg. von Eva-Maria Houben, Saarbrücken 2000, S. 25-27.
Drees, Stefan:„… ein musikalisches Theater ‚en miniature‘ …“. Zur instrumentalen Dramaturgie in den konzertanten Kompositionen Adriana Hölszkys, in: Adriana Hölszky, hrsg. von Ulrich Tadday (Musik-Konzepte, Neue Folge Heft 160/161), München: edition text+kritik 2013, S. 57-84.
Hiekel, Jörn Peter: „Glattes Eis, ein Paradeis ...“. Theatrale Aspekte im Werk von Adriana Hölszky, in: Dissonance, Heft 81, Juni 2003, S. 10-15.
ders.: „Chaotische Zustände auskomponieren“. Adriana Hölszkys Musiktheaterstück „Bremer Freiheit“ als Werk des Durchbruchs, in: Adriana Hölszky, hrsg. von Ulrich Tadday (Musik-Konzepte, Neue Folge Heft 160/161), München: edition text+kritik 2013, S. 43-56.
ders.: Die Kunst des Übergangs. Einige Neuansätze im Musiktheater der letzten Jahrzehnte, in: Neue Zeitschrift für Musik 177 (2016), Heft 3, S. 18-24.
Hölszky, Adriana: Wandernde Klangräume und die Körperlichkeit des Klanges, in: Neue Rundschau 132 (2021), Heft 1, S. 146-158
Houben, Eva-Maria: „Die Klarheit des strukturellen Denkens“. Zu Adriana Hölszkys „szenischem Konzertstück“ „Countdown“, in: Adriana Hölszky, hrsg. von Ulrich Tadday (Musik-Konzepte, Neue Folge Heft 160/161), München: edition text+kritik 2013, S. 85-106.
Kämpfer, Frank: Keimzellen für ein Theater der Klänge. Adriana Hölszky im Gespräch über ihr neues Stück „Tragödia“, in: Neue Zeitschrift für Musik 158 (1997), Heft 4, S. 10-13.
Kostakeva, Maria: „Die Anwesenheit des Abwesenden schmerzlich zu machen ...“. Adriana Hölszky, Tragödia - der unsichtbare Raum, in: Dissonance, Heft 81, Juni 2003, S. 4-9.
dies.: Am Anfang war die Gestik. Zum „Musiktheater“ Adriana Hölszkys, in: Bibliographie zur Symbolik, Ikonographie und Mythologie 41 (2008), S. 5-30.
dies.: Metamorphose und Eruption. Annäherung an die Klangwelten Adriana Hölszkys, Hofheim: wolke 2013 (S. 107-123).
Nauck, Gisela: Into the Dark. Sabrina Hölzers Musik-Inszenierungen im
lichtlosen Raum, in: positionen Heft 104 (August 2015), S. 42-44.
Petersen, Peter: Adriana Hölszkys „Opern“. Theatrale Musiksprache und vokal-instrumentales Theater, in: Von der Zukunft einer unmöglichen Kunst. 21 Perspektiven zum Musiktheater, hrsg. von Bettina Knauer und Peter Krause, Bielefeld: Aisthesis 2006, S. 85-108.
ders.: Adriana Hölszkys „Opern“. Theatrale Musiksprache und vokal-instrumentales Theater, in: Ankommen: Gehen. Adriana Hölszkys Textkompositionen, hrsg. von Wolfgang Gratzer und Jörn Peter Hiekel, Mainz: Schott 2007, S. 29-43.
Zenck, Martin: Ordnungen des Unsichtbaren / Hörbaren und des Sichtbaren / Unhörbaren. Zu Adriana Hölszkys musiktheatralen Werken „Tragödia“. „Der unsichtbare Raum“ und „Die Wände“ nach Jean Genet, in: Adriana Hölszky, hrsg. von Ulrich Tadday (Musik-Konzepte, Neue Folge Heft 160/161), München: edition text+kritik 2013, S. 107-127.