Nicola Campogrande (*1969) Musica trasparente
[2Vl,Va,Vc] 2024 Dauer: 7'
Uraufführung: Mailand/Italien, Museo Nazionale Scienza e Tecnologia "Leonardo da Vinci", 6. Oktober 2024
Auftragswerk des Orchestra Sinfonica di Milano
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Ein transparentes Quartett – in Gedanken beim Radio
Am 6. Oktober 1924 nahm die Italienische Rundfunkunion in Rom ihren Sendebetrieb auf. Dies war die Geburtsstunde dessen, was später das italienische öffentlich-rechtliche Radio werden sollte.
Für das Eröffnungskonzert wurden der erste und zweite Satz von Haydns "Quartett op. 2 Nr. 1" ausgewählt. Wenn man darüber nachdenkt, war dies für ein Land wie das unsere, das damals noch ganz der Oper zugewandt war und zudem unter einem faschistischen Regime stand, das italienische Komponisten und Werke bevorzugte, eine merkwürdige Wahl. Aber es kam dann so: Für die erste nationale Radiosendung entschied man sich, Kammermusik eines österreichischen Komponisten aufzuführen.
Vielleicht lag es an der Klarheit von Haydns Musik, die sich besonders für die damalige Technologie eignete, die bahnbrechend und noch unvollkommen war. Vielleicht gab es auch andere Faktoren, von denen ich nichts weiß. Als ich dieses kleine Quartett erfand, um an dieses Datum zu erinnern, hat mir der phantasievolle Gedanke gefallen, dass die Wahl dieses Stücks zwei der Eigenschaften hervorheben sollte, die das Radio in seiner kulturellen Ausformung bis heute prägen: Ehrlichkeit und Höflichkeit. Ich schreibe dies als Komponist, aber ich könnte es auch in meiner Rolle als Radiomoderator unterschreiben (seit fast dreißig Jahren, zwischen der Komposition einer Partitur und der nächsten, arbeite ich beim italienischen Radio), und ich bin sicher, dass ich nicht falsch liege. Denn vor dem Mikrofon ist es unmöglich zu lügen, die Stimme verrät Emotionen, der Zuhörer versteht sofort, ob man wirklich mit ihm spricht oder ob man die Zeit mit aseptischen, nutzlosen Worten vergeudet; und der beste Weg, der richtige Weg, um Musik, Ideen, Gedanken zu den Tausenden von Zuhörern zu bringen, besteht darin, sie mit Anmut zu überbringen, den Austausch, den Dialog, die Höflichkeit zu suchen. Genau so, wie es in den Quartetten der klassischen Periode und jenen, die von ihnen inspiriert wurden, geschieht.
Diese kleine Hommage an den 6. Oktober 1924, die ich hundert Jahre nach dieser ersten Radiosendung komponiert habe, soll den Zuhörern einen Moment leichter, transparenter Musik bieten; und in der klangvollen Konversation der Musiker versucht sie, uns daran zu erinnern, wie viel schöner die Welt wäre, wenn wir begreifen würden, einander zuzuhören und einander mit derjenigen Zuneigung zu respektieren, die uns die Musik jedes Mal auf beispielhafte Weise zu bieten weiß.
(Nicola Campogrande, Juli 2024)