Nicola Campogrande (*1969) Hello, World
[S,Orch] 2020 Dauer: 8'
Solo: S – 2.2.2.2 – 2.2.0.0 – Schl – Str
Uraufführung: Mailand/Italien, 9. Juni 2021
Auftragswerk des CodeFest, Codexpo und Università di Torino
„Hello, World“: Wie Computercode einen Komponisten herausfordert
Eines Abends, noch vor der Pandemie, fragte mich Prof. Enrico Pasini, Koordinator des CODEFEST, dem weltweit ersten Festival, das sich dem Quellcode widmet, ob es möglich sei, sich Musik ausgehend von Programmiersprachen vorzustellen. „Denn es gibt – wie Sie wissen – Programme, die Musik erzeugen können", sagte er mir, „aber was mich interessiert, ist, ob man Code vertonen kann".
Ich dachte eine Weile darüber nach und antwortete ihm, dass man sich das durchaus vorstellen könne. Ich könne ein Stück in der Art, nach der er mich gefragt habe, komponieren. Aber welchen Code habe er im Sinn?
So habe ich Hello, World entdeckt. „Denn", so erklärte er mir, „wenn man eine Programmiersprache erfindet, d.h. eine Syntax, eine Grammatik, eine Reihe von Anweisungen, mit denen man einen Computer zum Laufen bringt, dann macht man am Ende einen kleinen Test, um zu sehen, ob er tatsächlich 'läuft', ob die Grundlagen stimmen. Und der universelle Test besteht gemäß einer bewährten Tradition darin, die Worte "Hello, World" auf dem Bildschirm erscheinen zu lassen (mit leichten Variationen in Bezug auf das Vorhandensein eines Kommas oder eines abschließenden Ausrufezeichens – Informatiker sind keine Philologen).
Die Idee gefiel mir sehr gut. „Ich akzeptiere“, sagte ich. Und begann mit der Arbeit.
Da das Projekt darin bestand, eine kurze Liedersammlung zu schreiben, musste eine Auswahl getroffen werden, denn es gibt viele Programmiersprachen. Ich entschied mich für vier, nämlich B, Unix Shell, Delphi und Malbolge, die sich stark voneinander unterscheiden.
Einige der Anweisungen, die sie enthalten, sind verständlich, weil sie aus englischen Wörtern bestehen, wenn auch mit einer Interpunktion und Syntax, die mir vage futuristisch vorkommen; andere sind mir völlig unverständlich. Aber gerade deshalb haben sie mich amüsiert und angeregt: Ich hatte vor, sie sehr ernst zu nehmen, sie als ausdrucksstarke Texte zu betrachten, als ob sie die üblichen wichtigen Worte enthielten, die vertont werden - Liebe, Schmerz, Abschied, Freude, Heimat, Qual... Und das habe ich getan, indem ich alle Zeichen (wie offene runde Klammern, ‚c‘ als Kleinbuchstaben oder das Semikolon), die auf Italienisch auszusprechen sind, in Worte umgewandelt und die englischen Worte so belassen habe, wie sie waren, wobei ich dem Interpreten natürlich die Aussprache in der entsprechenden Sprache vorgeschrieben habe.
Wenn ich jetzt daran zurückdenke, war die Komposition ein mühsamer und zugleich aufregender Prozess: Jedes Zeichen, jedes Fragment musste natürlich mit größerer Sorgfalt als üblich behandelt werden (Kommas werden zum Beispiel in Liedern normalerweise nicht intoniert); aber die Zeichen sprachen auf ihre Weise zu mir und ließen sich leicht in eine Melodie verwandeln, wobei sie gleichzeitig Harmonie, Rhythmus und Orchestrierung vorschlugen. Und so scheint mir das ganze Spiel, ob verrückt oder ernst, ein fantastisches Abenteuer gewesen zu sein, für das ich dem brillanten Auftraggeber sehr dankbar bin.
(Nicola Campogrande)
1. In B |
2. In Unix Shell |
3. In Delphi |
4. In Malbolge |