Isabel Mundry (*1963) Vogelperspektiven
[S,Sp,Ens] 2015 Dauer: 37' Text: Thomas Kling
Soli: S Spr - 2Fl(Picc).Ob.Klar.B-Klar(Kb-Klar).Fag - Hn.2Trp.2Pos - 3Schl - Hfe - Klav - 3Vl.2Va.2Vc.Kb
Uraufführung: München, 22. Januar 2016
Es gibt bei mir schon eine sehr lange Auseinandersetzung mit der Lyrik von Thomas Kling. Der Hintergrund des Gedichts „Vogelherd“ ist eine bis ins 19. Jahrhundert angewandte Technik, bei der Singvögel geblendet wurden, damit sie nicht mehr aufhören zu singen. Damit waren sie perfekte Lockvögel. Folter und Schönheit fallen hier zusammen, das ist ein Bezugspunkt des Textes, der jedoch eher untergründig mitläuft. Davon ausgehend fokussiert der Gedichtzyklus die Wahrnehmung der Tiere: was ist die Vogelperspektive und was die Perspektive des Menschen auf den Vogel? Es geht um Naturwahrnehmung, um Projektion, Lesart und gleichzeitig um Mimesis. Aber es kam noch ein anderes Erlebnis aus dem letzten Frühling hinzu: Ich wohne in Zürich auf einem Berg, der Wald liegt hinterm Haus, und ich bin extrem hörend durch die Natur gelaufen. Dabei ging es weniger um die Naturschönheiten, sondern z. B. darum, dass Vögel einer Art immer nur alleine in einem akustischen Raum singen, dass sie einander Raum geben und responsorial aufeinander reagieren. Letztlich also ein responsoriables Vogelrauschen. Und ich fand es interessant, wie stark Vögel auf Umweltgeräusche reagieren und sie in ihren Gesang aufnehmen. Da kam mir die Idee, dass Vögel vielleicht wie latente Mikrophone sind, über die wir die Welt wahrnehmen, wie sie vor hundert Jahren klang.
(Isabel Mundry, 2015)
„… eine bestürzend aktuelle Komposition von Isabel Mundry. Diese Komponistin hat zielstrebig einen unabhängigen und unverwechselbaren Personalstil entwickelt.“
(Eleonore Büning, FAZ)