Isabel Mundry (*1963) Motions // der doppelte Blick I-VII
[Orch] 2014/18 Dauer: 32'
2(Picc).2(Eh).1.B-Klar.2(Kfg). - 3.2.2.0. - Schl(3) - Hfe - Klav/Cemb - Str
Uraufführung Teil 1 (Erstfassung): Konstanz, 12. März 2014 /
(Endgültige Fassung): Göttingen, Internationale Händel-Festspiele, 17. Mai 2015
Uraufführung Teil 2: Gstaad, Menuhin Festival, 20. August 2014
Uraufführung Teil 3: Göttingen, Internationale Händel-Festspiele, 17. Mai 2015
Gesamt-Uraufführung: Frankfurt am Main, 14. September 2018
Motions // der doppelte Blick ist ein Zyklus, der mit dem Menuhin-Festival in Gstaad und den Internationalen Händel-Festspielen Göttingen seinen Ausgang nahm und in den folgenden Jahren noch wachsen wird. Das Festival in Gstaad stand unter dem Motto „Motions“, die Festspiele in Göttingen umkreisen die Musik des Barockmeisters. Beide Bezugspunkte nahm ich zum Anlass, um über das Körperliche in der Musik nachzudenken, und zwar weniger im Sinne einer diffusen Metaphorik, als im Sinne von Klangfiguren, welche den Bewegungen des menschlichen Körpers anverwandt sind. Insofern lässt sich meine Komposition als eine imaginäre Choreographie beschreiben.
Als anregende Momente dienen die Fotografien von Eadweard Muybridge (1830-1904) und die Experimentalfilme von Martin Arnold (1959). In beiden geht es darum, den Einblick in Bewegungen so zu fokussieren, dass Aspekte in ihnen zum Vorschein kommen, die wir üblicherweise kaum wahrnehmen können. Beide basieren auf dem Phänomen der Wiederholung, gekoppelt mit leichten Perspektivverschiebungen. Ein einfacher Schritt oder ein flüchtiges Lächeln kann in diesen Bildperspektiven bereits zu einem vielschichtigen Ereignis werden.
Vergleichbare Artikulationen finden sich in meiner Komposition. Immer wieder kreist sie um einfache Phrasen, Klangmomente oder Figuren. Sie sind vergleichbar mit einfachen Bewegungsformen, wie z. B. dem Gehen oder Beugen. Zwar werden die Phrasen wiederholt, doch bei jedem Mal ändert sich etwas in ihnen, so wie sich eine körperliche Geste nie zweimal identisch ausführen lässt, und sei es nur, dass beim zweiten Mal ein leichtes Zittern hinzukommt.
Meine Komposition lässt sich als imaginäre Choreographie beschreiben, doch ihre Konzeption entwickelte ich im Dialog mit dem Choreographen Jörg Weinöhl, der parallel dazu einen Film gestalten wird. Es geht nicht darum, die Resultate übereinander, sondern nebeneinander zu legen. Man könnte auch sagen, dass wir der Frage des Körperlichen in der Musik und des Musikalischen im Körper nachgehen, und zwar aus zwei Perspektiven, die wir nicht vermischen, sondern in ein Verhältnis gegenseitiger Anschauung bringen wollen.
(Isabel Mundry, 2015)