Nicolaus A. Huber (*1939) Erosfragmente
[Schl] 2012 Dauer: 13'
18 Klangschalen, Toy-Piano und weitere Zusatzinstrumente
Uraufführung: Schloss Kaisheim-Leitheim, 23. Juni 2013
28 Seiten | 196 g | ISMN: 979-0-004-18491-2 | Mappe
Erosfragmente, ein Stück für einen Schlagzeugsolisten, gehört zu meiner Sehnsuchtstrilogie mit Póthos (für Schlagzeug solo) und Hímeros (für Schlagzeug, Harfe und Zuspielungen). Póthos, Hímeros und Eros sind nach einer griechischen Mythoserzählung Söhne des düsteren Zephiros. Eros ist die Energie schlechthin, das Streben nach dem Vollkommenen, nach dem Guten und Schönen, wie Platon Sokrates sagen lässt. Eros ist ein Helfer auf dem Erkenntnisweg.
Erosfragmente ist für 18 Klangschalen, Toy Piano und wenige andere Instrumente geschrieben. Am besten gibt ein Zitat des Stringtheoretikers Juan Malceda die inneren Faszinationen und Anziehungskräfte in meinem Stück wieder: „Es ist wie bei einem See. Die Oberfläche sieht glatt aus, Insekten laufen darauf. Aber mikroskopisch gibt es keine Oberfläche, da wackeln nur Moleküle; und daraus geht die Oberfläche hervor.“ (Süddeutsche Zeitung, 27. Juli 2012, S. 18).
Klangschalen haben es in sich! Je nach Schlägel und Lautstärke des Anschlags entfalten sie die verschiedenartigsten Klänge und Nachhalldauern, manchmal bis zu einer Minute. Dagegen fällt der Klang des benützten 25-tönigen Toy Pianos rasch ab, ist sozusagen ein Gegenmodell. Bis auf zwei Ausnahmen sollen alle Klangschalen weiterklingen dürfen. Daraus ergibt sich die stets sich verändernde, vibrierende Harmonik der Klanggestalt-Oberfläche. In mehreren Schichten bilden Moleküle Oberflächen, die wieder als Moleküle Oberflächen bilden, die wieder … Herausfordernde Klangmelodien und irisierende Klangwolken, die da auf den Hörer zukommen, benötigen natürlich die Empathie des Läufers. Nicht nur die Metallschalen und Klangstäbe schwingen, alles schwingt und auch unser Körper schwingt auf den vielschichtigsten Ebenen. Schwingungen umschwingen uns aber auch. Die Vernunft, die in unseren Körpern liegt, braucht immer wieder den Eros nach der Schönheit von Musik. Fragmente haben offene Enden.
Die Anschlagsrhythmik und die resultierenden Klangdauern sind gezähmt in einer Maßstabstruktur von 57x21 Einheiten. Jede Einheit ist durch metrische Impulsgliederungen aufladbar. Die Nachklänge bleiben die Daueranarchisten. Eros selbst hat kein Wesen, er ist die Energie. In „Erosfragmente“ hat er kompositorisch gerichtete Abstrahlungen und man braucht nochmal Eros, um etwas entstehen zu lassen. Sonst kriegen auch Insekten nasse Füße.
(Nicolaus A. Huber, 2012)
Bibliografie:
„Es gibt Dinge, die sind richtig, aber sie ruhen“. Nicolaus A. Huber im Gespräch mit Michael Struck-Schloen, in: MusikTexte, Heft 154 (August 2017), S. 31-37.