Hanspeter Kyburz (*1960) Still and again
Drei Arien aus ΟΥΤΙΣ [S,Ens] 2011 Dauer: 28' Text: Sabine Marienberg
S - Fl.Klar.Schl.Klav.Keyboard.Vl.Vc.Elektronik
UA: Frankfurt am Main, 11. März 2011
Drei Arien aus „OUTIS“, einer Experimentaloper für Sopran (Penelope), Tänzer (Odysseus), Ensemble und Live-Elektronik, in der Deklamation und Choreographie sich wechselseitig dekonstruieren: Den musikalischen Bewegungen einer Sopranstimme werden die klingenden Handlungen eines Tänzers gegenübergestellt, der durch seine Sensoren die Stimme moduliert. Umgekehrt „berühren“ Sprache und Melodie der Sängerin den Tänzer, der ihre Klänge erzeugt. Die drei nicht-interaktiven Arien von „still and again“ konzentrieren sich auf Penelopes Isolation.
I
“erzähle mir auch von jenem Manne des Jammers,
ob er noch irgendwo lebt und schaut die Strahlen der Sonne,
oder ob er schon tot ist und in den Häusern des Hades.”
Ihr antwortete drauf das schattige Traumbild und sagte:
“Nein, von ihm kann ich Dir nicht erschöpfend berichten, ob er noch
lebt oder tot ist, denn windiges Schwatzen ist doch ein Übel.”
So sprach es und entwich an dem Riegel der Türe vorbei ins
Wehen der Winde; doch da fuhr sie empor aus dem Schlafe,
des Ikarios Tochter, und wieder wurd' ihr ums Herz warm,
weil ein so deutlicher Traum ihr genaht im nächtlichen Dunkel.
Von Gerüchten und Gespenstern, fernen Echos des trojanischen Krieges, Zeichen, Stimmen und entsetzlicher Stille. Von der gleichförmig verrinnenden Zeit des Wartens, rauschhaften Illusionen, regloser Verzweiflung und der Klugheit einer Frau, die ihre Fassung nicht verliert.
II
Ja gewiß harrt jene noch aus, mit standhaftem Mute,
dort in deinen Hallen, und jammervoll schwinden ihr stetig
hin die Tage und Nächte […]
Und sobald sie zurückgelehnt mit den Rudern die Salzflut
wirbelten, senkte sich diesem Schlaf auf die Lider,
unerwecklich, ganz süß, dem Tode am nächsten vergleichbar […]
und da schlief er nun ruhig, vergessend all seine Leiden.
Im Traum wird Odysseus vom Bild der Geliebten geleitet. Sie singt ihm, hellsichtig, verzeihend, was war und was wird. Jedes Wort ein Versprechen, voll ungeduldiger Zuversicht.
III
[…] und viel erwog sie im Herzen,
ob sie von weitem ihren lieben Gatten befrage
oder, ihm nahend, Haupt und Hände ergreife und küsse.
So überschritt sie die steinerne Schwelle und trat in den Saal ein,
setzte sich dann in des Feuers Schein gegenüber Odysseus
an die andere Wand, der saß an dem stattlichen Pfeiler,
schaute hinab auf den Boden und wartete, ob sie ihm etwas
sage, die treffliche Gattin, nachdem sie leibhaftig gesehn ihn,
sie aber saß lange stumm, betäubt war ihr Herz und verwundert;
bald dachte sie, in sein Antlitz blickend, er sei es, bald wieder
konnte sie ihn nicht erkennen in seiner schäbigen Kleidung.
Wie sich begegnen, verletzlich und staunend, ungläubig berührt. Ist er's? Odysseus der Fremde, Odysseus der Strahlende, unfassbar wirklich. Wer wird man sich sein?
Originalzitate aus: Homer, Odyssee, Aus dem Griechischen übersetzt von Kurt Steinmann, Manesse 2007
I
Weighing still against silence
Crystallized time in a haze
Motionless, sensing my senses
In vigil, unguarded
My inside made of echoes
Ruled by an uncertain pulse
Delusion or distant response
Weighing still against silence
Blank-eyed, in ceaseless visions
Lastingly held in unrest
My days are my nights now
Though could be turned by one touch
And sounds, and absent voices
Are seeping into my skin
*
Doomed to be bound
Untwining, entwined
Doomed to be rooted to
Whatever worse –
No one now
Untwining, entwined
In your presence
whence your face
what facing
when once your hands
wherever
you whose words
to whom
Doomed to abide
From naught to naught
Unweaving
Whomsoever shroud
Or veil
lying bare
my hips go unheeded
exposed
remains of mine
my hips go unheeded
unbound bones
No ones spouse
But yours
*
Since we are said to be one
cerise is cerise
Twofaced undying embrace
Lips bitten in twain
„She's scratching her face!“
cerise is cerise is cerise
Fell writhing, fell
Sharing one shadow or none
„Her hair is still growing!“
cerise is cerise
Breath drowning in breath
Knelt, fell, knelt
„Her limbs in a feverish wrench!“
Went winged
II
More life behind, more life
With no regret
My ever weary eyes
Like lidless, are holding
What was and will be
You need not know
I'll be your word among whispers
Resign my bloom for yours
For time is but time
Two equals one
Manyskilled is what they call you
I'll guide you though
Awake and awaiting
I'll be your voice among waters
From wind waves to swell
Foresaid and foreseen
All of disguise and revealing
From softsome oblivion
Return to find
Hundred horizons of laughter
Lost will be won
From driftwood to bough
Our mornings lie ahead
Wider than mine is your patience
Return, return
From leeway to shore
Blank minded, unknowing
The scent of olive skin
Return my word
Anew
III
Whose guise, whose looks… whoever –
You do not know
Who are you to abash me
Again and yet… again
Those vagabonding smiles
I fear your voice
Fall silent
What made you dare to bring me
The feel and ways of hands
Hereafter – after all
Touch me, don't touch me
You do not know
Still and again… but still
Your presence
Pervades me from within
Find me
Unheard of
Past joys and joy to come
Touch me, find me
Again
Text: Sabine Marienberg