Hans Zender (1936–2019) Oh bosques / O Wälder
[Soli,GCh,Orch] 2010 Dauer: 17' Text: Juan de la Cruz
Solo: S – Echo-S – GCh - 3.2.2(B-Klar).0. – 2.1.1.1. – Hfe – Klav(2) – Schl(5) – Str: 10.0.4.4.3.
UA: München, 8. Juli 2011
¡Oh bosques y espesuras
plantadas por la mano del Amado!,
¡oh prado de verduras
de flores esmaltado,
decid si por vosotros ha pasado!
Mil gracias derramando
pasó por estos sotos con presura;
y, yéndolos mirando,
con sola su figura
vestidos los dejó de su hermosura.
¡Ay!, ¿quién podrá sanarme?
Acaba de entregarte ya de veras;
no quieras enviarme
de hoy más mensajero
que no saben decirme lo que quiero.
Y todos cuantos vagan
de ti me van mil gracias refiriendo,
y todos más me llagan,
y déjanme muriendo
un no sé qué que quedan balbuciendo.
Mas, ¿cómo perseveras,
¡oh vida!, no viendo donde vives,
y hacienda por que mueras
las flechas que recibes
de lo que del Amado en ti concibes?
(Juan de la Cruz, Cantico espiritual, Strophen 4–8, Madrid: Alianza Editorial 1991)
Die neue Musik hat sehr unterschiedliche ästhetische Zielrichtungen entwickelt. Ich persönlich bin seit je fasziniert von der möglichen Erweiterung unseres harmonischen und intervallischen Bewusstseins einerseits, sowie andererseits durch immer neue Fragestellungen zur Interaktion von Sprache und Musik.
„Die Obertonreihe … enthält noch viele Probleme, die eine Auseinandersetzung nötig machen werden“, sagt schon Schönberg in seiner „Harmonielehre“. Die Erweiterung unseres Tonsystems durch die höheren, in ihm nicht enthaltenen Obertöne ist eines der zentralen Themen der Neuen Musik. In meiner Arbeit konkretisiert sich dieses Bestreben durch die systematische Einbeziehung des 5., 7. und 11. Obertons. Anfang der neunziger Jahre entwickelte ich durch sechsfache Unterteilung des Halbtons ein 72-Tonsystem, das erlaubt, die drei genannten Obertöne fast rein wiederzugeben. Dies geschah, im Gegensatz zu dem meist „tonal“ denkenden Spektralismus, auf der Basis der chromatischen Atonalität. Ein einfaches Zeichensystem ermöglicht relativ leichte Orientierung der Ausführenden; die eigentliche Herausforderung für Hörer und Spieler besteht aber im bewussten Hören der neuen kleineren Tonschritte; hört man über diese hinweg, so kann man die selbstbezügliche „Sprache“ der Intervalle nicht verstehen. Eine weitere Verständnisebene wird durch die Integration des dichterischen Wortes in die musikalische Struktur angesteuert; in „Oh bosques“ handelt es sich um ein fünfstrophiges Fragment aus dem „Cantico Espiritual“ von Juan de la Cruz. Die 5 Zeilen jeder Strophe haben 7 oder 11 Silben. Nicht die Verstehbarkeit des Textes kann das Ziel sein; vielmehr wird der Text als eine intentionale Ebene der musikalischen Struktur „eingeschrieben“.
Die 5 ausgewählten Strophen des spanischen Gedichtes sind in 5 gleich lange, aber höchst unterschiedlich gestaltete Sätze gegossen. Auf einen äußerst zarten Anfangssatz, geprägt durch den Wechselgesang von Solosopran und einer Stimme hinter der Bühne, folgt ein Chorsatz, der durch Klangballungen und Stillen charakterisiert ist. Der 3. Satz gehört wieder dem Sopran, und entwickelt eine kontinuierliche „Rede“, während der 4. Satz fast stammelnd in äußerstem Pianissimo einzelne Klänge vom Sopran zum Chor und zurück führt. Hier lässt sich am ehesten das in diesem Stück fokussierte Intervallspiel von „großem“ und „kleinem“ Tritonus (11. Oberton) beobachten, das nun im abschließenden 5. Satz als äußerst dramatisches und konflikthaftes Geschehen ausgetragen wird.
Hans Zender
CD:
Angelika Luz (S), Chor des Bayerischen Rundfunks, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Ltg. Susanna Mälkki
CD WERGO WER 7336 2