Carlo della Giacoma (1858–1929) Tosca-Fantasie op. 171
herausgegeben von Johannes Fleischhut [Klar,Klav]
Zwischen Belcanto und Virtuosität
20 Seiten | 23 x 30,5 cm | 112 g | ISMN: 979-0-004-48854-6 | geheftet
Als della Giacoma im Jahr 1900 seine Tosca-Fantasie schrieb, diente er als Klarinettist und Konzertmeister im italienischen Militär. Seine Paraphrase ist ganz im Zeitgeschmack verpflichtet, der Bearbeitungen größerer bekannter Werke in kammermusikalischen Besetzungen für Konzert und Hausmusik forderte. In der Tosca-Fantasie verwendet della Giacoma verschiedene Themen aus Puccinis Oper nicht zuletzt auch das berühmte Klarinettensolo, das Cavaradossis Arie E lucevan le stelle einleitet. Wirkungsvoll changiert das Soloinstrument zwischen dem Belcanto-Gesang, in denen sich die Schönheit des Klarinettenklangs entfalten kann, und virtuosen Umspielungen, wie sie die Spieltechnik der Klarinette ermöglicht.
Carlo della Giacoma, am 3. März 1858 in Verona geboren und am 9. April 1929 in Todi gestorben, war Komponist, Musikwissenschaftler, Pädagoge und Dirigent. Seine Kindheit verbrachte er in Südtirol, Chivasso und Turin, bevor er Anfang der 1870er Jahre seine Musikstudien am Militärinternat in Mailand begann, die er an der Musikhochschule in Turin fortsetzte. 1877 trat er in den Dienst der italienischen Armee, der er 27 Jahre angehörte, zuerst als einfacher Klarinettist, später als Konzertmeister verschiedener Garnisonen.
1904 nahm er seinen Abschied und ließ sich in Todi nieder, wo er die Stelle des Direktors der städtischen Musikkappelle sowie die Leitung der städtischen Musikschule übernahm, aber auch Musik an einer lokalen Schule unterrichtete. Während des Ersten Weltkriegs wurde das Stadtorchester aufgelöst und della Giacoma geriet dadurch in eine psychische Krise. Erst 1919 zog das Kulturleben wieder in Todi ein und er konnte in gewohnter Anstellung weiterarbeiten, doch schon 1923 schaffte die Gemeinde Todi die Musikkappelle wieder ab und verursachte so einen erneuten starken Rückgang der kulturellen Geschehnisse in der Stadt. Gepaart mit der Tatsache, dass er als ausdrücklicher Gegner der sich gerade in Italien etablierenden Faschisten zunehmend Opfer von Schikane und Übergriffen wurde, litt Giacoma erneut unter großem psychischen Druck. Dieser führte letztendlich zu einem Nervenzusammenbruch und della Giacoma wählte 1929 den Freitod.
Das vorliegende Werk wurde im Jahre 1900 fertig gestellt und uraufgeführt. Es steht in der damals noch weitverbreiteten Tradition der Bearbeitung größerer und bekannterer Werke sowohl für den Haus- und Konzertgebrauch mit Kammermusikbesetzung als auch für den versierten Solisten mit Klavier- oder Orchesterbegleitung. Diese Tradition trug damals viel zur Verbreitung der Werke bei, heute werden viele dieser Werke vom Rundfunk- und CD-gewohnten Hörer eher als Kuriosum wahrgenommen.
Die Tosca-Fantasie von della Giacoma ist eine Mischung aus ornamentaler Variation, Paraphrase und Potpourri. Verwendet werden verschiedene Themen aus der Oper Tosca, allen voran das berühmte Klarinettensolo, das der Arie „E lucevan le stelle“ des Mario Cavaradossi vorausgeht. Dabei gibt es sowohl Abschnitte, in denen ein originales Thema wortgetreu erhalten bleibt, als auch virtuose Umspielungen desselben. Della Giacoma nutzte die Originalthemen außerdem als Ausgangspunkt für eigene kompositorische Ideen.
Die Klarinette übernimmt hier zwei Rollen: Zum einen die des Belcanto-Sängers, was die Schönheit des Klarinettenklanges und die Bedeutung des Instrumentes in der italienischen Oper hervorhebt. Zum anderen die des Virtuosen, um die Möglichkeiten der Spieltechnik, aber auch der Komposition auszuloten.
Das Originalmanuskript der Fassung des Werkes mit Klavier ist leider verschollen. Allerdings befindet sich eine Fotokopie des Manuskriptes zusammen mit dem Originalmanuskript der Fassung mit Kammerorchester in Familienbesitz. Diese Fotokopie bildet die Grundlage der Edition. Das Manuskript weist nur wenige, eindeutige Fehler auf, die stillschweigend korrigiert wurden. Wir danken Frau Berleghini und dem Centro Studi della Giacoma für die freundliche Unterstützung.
Köln, Frühjahr 2010