Franz Schubert (1797–1828) Rosamunde, Fürstin von Zypern D 797 [op. 26]
Nr. 1, 3a und 5 Zwischenaktmusiken – Urtext herausgegeben von Peter Hauschild [Orch]
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„Wenn irgendwo, hier ist das sinfonische Zwischenglied zwischen der Unvollendeten und der C-dur-Symphonie“, so bewertet Alfred Einstein die erste und umfangreichste der drei Zwischenaktmusiken.
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Die Konzertpraxis bestätigt dieses Urteil bis heute: wegen dieses Satzes, der noch dazu in h-moll, der Tonart der Unvollendeten steht, aber auch wegen des Andantinos mit einem der berühmtesten Themen Schuberts, sind die drei Orchesterstücke aus dem Repertoire der Sinfoniekonzerte nicht wegzudenken. Die Urtext-Neuausgabe nach dem Autograph dürfte also vielerorts begrüßt werden, zumal das Aufführungsmaterial nun komplett käuflich angeboten wird.
„Mit der vorzüglich gestochenen Partitur ist erstmals käufliches Aufführungsmaterial erschienen.“ (Michael Kube, Schweizer Musikzeitung)
Durch Vermittlung seines Freundes Josef Kupelwieser, der bis Oktober 1823 zeitweilig Sekretär am Wiener Kärntnertortheater war, erhielt Schubert Anfang November 1823 von der Direktion des Theaters an der Wien den Auftrag, die Musik zu dem Schauspiel Rosamunde, Fürstin von Cypern zu schreiben. Die Verfasserin des Stückes, Helmina von Chézy, war zuvor mit ihrem Libretto zu Carl Maria von Webers Oper Euryanthe bekannt geworden, die am 10. Oktober in ihrem und des Komponisten Beisein erstmalig in Wien aufgeführt worden war. Daraufhin ersuchte man sie um ein neues Drama. Dieser Bitte kam sie so kurzfristig nach, dass Schubert unter Zeitdruck geriet. Zu den Textvorgaben schrieb Schubert insgesamt zehn Nummern, darunter ein kurzes Instrumentalstück (Nr. 6 Hirtenmelodie), ein Sololied (Nr. 3b Romanze), drei Chorgesänge (Nr. 4 Geisterchor, Nr. 7 Hirtenchor, Nr. 8 Jägerchor) sowie zwei Ballettmusiken, und er überhöhte das Ganze durch Einfügung der drei hier vorgelegten Zwischenaktmusiken (Nr. 1, 3a und 5). Der Zeitdruck mag Schubert veranlasst haben, die Ouvertüre einem früheren Werk, seiner nicht aufgeführten und demnach beim Publikum noch nicht bekannten Oper Alfonso und Estrella D 732, zu entnehmen, die er jedoch später möglicherweise mit der Ouvertüre zum ersten Akt des Schauspiels Die Zauberharfe D 644 von 1819/20 ersetzte.
Bei der Aufführung am 20. Dezember 1823 galt der Beifall des Publikums vor allem der Schubertschen Musik mit ihrem Melodienreichtum. „Schuberts herrliche Musik wurde gewürdigt und mit rauschendem Beifall gekrönt. Doch die Dichtung war einmal nicht an ihrem Platz, denn das Theater an der Wien hatte sein eigenes Publikum.“ In der Tat wurde das Stück infolge der schwachen Handlung bereits nach der ersten Wiederholung am Tag darauf abgesetzt.
Die erste Zwischenaktmusik Nr. 1 übertrifft mit einer Länge von 383 Takten die zweite (Nr. 3a: 55 Takte) und dritte (Nr. 5: 95 bzw. 111 Takte) weit über das Doppelte, so dass man diesen h-moll-Satz geradezu als eine „verkappte Ouvertüre“ deuten könnte, wofür insbesondere der traditionsträchtige Initialcharakter der nur zu Beginn erklingenden sechs Unisonotakte spräche. Zudem ist sie auch noch 84 Takte länger als die für die Erstaufführung übernommene Ouvertüre zu Alfonso und Estrella. Der Satz in fantasieartig abgewandelter Sonatenform ist gekennzeichnet durch das Vermeiden jeglicher wörtlicher Wiederholung von Formteilen, die somit in einem kontinuierlichen Strom unablässiger Veränderungen und Modulationen eingebettet sind. Dabei erscheinen die Hauptthemen mit ihren jeweiligen Folgebildungen in rückläufiger Harmonik: 1. Thema in h-moll T. 7ff., 2. Thema in H-dur T. 30ff., 1. Thema in fis-moll T. 134ff., 2. Thema in H-dur T. 210ff., 1. Thema in h-moll T. 321ff. Auch mit der Instrumentierung für großes Orchester inklusive dreier Posaunen lässt der Satz den Rahmen einer Bühnenmusik weit hinter sich, wozu Alfred Einstein treffend bemerkte: „Wenn irgendwo, hier ist das sinfonische Zwischenglied zwischen der ‚Unvollendeten’ und der C-Dur-Sinfonie.“ Bei einer Aufführung im Londoner Crystal Palace vom 19. März 1881 unter der Leitung von August Mann wurde der h-moll-Sinfonie aufgrund einer Empfehlung des Musikforschers George Grove dieser Satz als Finale angefügt.
Die zweite Zwischenaktmusik greift, umrahmt von eröffnenden und abschließenden D-dur-Takten, nochmals die h-moll-Harmonik der ersten Zwischenaktmusik auf. Der Zeitdruck könnte eine Erklärung dafür sein, dass Schubert hierfür Motive aus seinem früheren Lied Der Leidende D 432 verwendet hat. Mit alternierenden Bläserakkorden zu Streichertremolo und klopfenden Bass-Achteln werden deren düstertragische Aspekte zu einer auf Bruckner vorausweisenden Intensität entfaltet.
Im B-dur-Andantino der dritten Zwischenaktmusik findet sich erstmalig in Schuberts Schaffen eines seiner berühmtesten Themen, das sich 1824 im Andante des Streichquartetts a-moll D 804 und – abgewandelt – in den Variationen des Impromptus B-dur D 935 vom Dezember 1827 wiederfindet.
Vorliegende Neuausgabe erfolgt auf der Grundlage des Autographs als der einzigen authentischen Quelle. Über Lesartendetails, Besonderheiten der Schubertschen Notation und ihre editorische Umsetzung informiert der Kritische Bericht.
Leipzig, Frühjahr 2008
Den vollständigen Text mit Fußnoten/Anmerkungen bieten wir als PDF zum Download an.