Martin Smolka (*1959) Hats in the Sky
Musik zum Film „Vormittagsspuk“ von Hans Richter [Ens] 2004 Dauer: 6'
Vc.Trp.Pos.Schl(2).Git.Klav
Uraufführung: Stuttgart, Staatsgalerie, 7. August 2004 (Ensemble Ascolta)
Ich glaube, dass Originalität immer ganz nah neben Banalität angesiedelt ist. Eine einzige Sequenz wurde ausschlaggebend für meine Beschäftigung mit dem Film „Vormittagsspuk“ – diejenige, in welcher Menschen hinter der dünnen Stange einer Straßenlaterne verschwinden, wobei vor allem der letzte Darsteller in der Reihe seiner Schritt auf komische und selbstironische Art übertreibt. Dadurch hat er die Szene als Schritt in eine andere Dimension interpretiert und den Humor der Autoren unterstrichen, die sich selber nicht besonders ernst genommen haben.
Dann haben mir all die Sequenzen in zeitlicher Umkehrung (eine zerbrochene Tasse fliegt hoch und wird heil, ein Wasseschlauch saugt Wasser vom Boden auf...): alles Beweise für die Faszination der Autoren für die „wunderbaren“ Möglichkeiten des Films.
Diese Fähigkeit, sich an Erfindungen wie ein Kind zu freuen, eine reine Naivität in sich selber zu mobolisieren, geheimnisvolle Rätsel spielerisch und humorvoll zu streifen, auch weniger glückliche Tatsachen (wie Waffen und Gewalt in diesem Film!) zu behandeln, ohne dabei unglücklich zu werden - all dies habe ich in meiner Musik zu erhalten und zu unterstreichen versucht. Deswegen wird die Gitarre, das führende Instrument in dem Stück, radikal umdisponiert, das Klavier wird präpariert, das Schlagzeug erinnert an Kinderspielzeug (Flexaton, Vibraslap, Vogelstimmen), und die anderen Instrumente quietschen eher als dass sie spielen. Es ist alles ziemlich verrückt, eigenartig, läppisch, gleichzeitig aber vertraut wie das Umherspringen von Kindern.
Diese Musik soll nichts anderes tun als diesem zart-verrückten, jedoch stummen Film zum Sprechen zu verhelfen.
(Martin Smolka, 2004)
Bibliografie:
Drees, Stefan: Die Bilder auf der Leinwand zum Sprechen bringen. Zu den Stummfilmmusiken Martin Smolkas, in: Martin Smolka, hrsg. von Ulrich Tadday (= Musik-Konzepte 191), München: edition text + kritik 2021, S. 95-119.