Nicolaus A. Huber (*1939) Solo für Stimme
[Singst] 2004 Dauer: 9'
UA: Berlin (Festival Ultraschall), 15. Januar 2005
8 Seiten | 32 x 25 cm | 72 g | ISMN: 979-0-004-18226-0 | geheftet
Schon Beethoven klopfte auf die Gegenstände seiner Wohnungen und Oskar Fischinger erzählte Cage, dass alle Gegenstände eine Seele besäßen, die man durch ihren Klang befreien könne. Die Stimme eines Menschen ist in dieser Hinsicht von ganz besonderer Art. Sie ist, unabhängig von der Musik, die sie singt und flüstert, besonders komplex aus allgemein menschlicher und spezieller Ich-Struktur zusammengesetzt und eine Welt eigenständiger Vermögen und Erfahrungen. Ich habe dabei immer die Vorstellung einer innersten Zentrierung, die kegelförmig nach Außen abstrahlt und sich verströmt. Diese (tonale?) Zentrierung bestimmt die Töne und Klänge sehr fremd, behält aber doch insistierend den Ich-Focus des Klingens. Nicht umsonst ist in den asiatischen Gesangskulturen – etwa in Korea oder in Japan – die Stimme mit Perkussion verbunden. Das ist ja nicht nur „Rhythmus“ zum Gesang, sondern vor allem Klang-Punkt (im An-Schlag) und dezentrierende Öffnung zu den Klangseelen anderer Gegenstände und Materialien.
Ich wurde während der Komposition an meinem Stück immer mehr dazu getrieben, die Musik zu anderen Materialien hinzutreiben, zu anderen Resonanzen (auch des Denkens) bis hin zur globalisierten, ziemlich rein schwingenden Frequenz des Tones einer Stimmgabel. Jetzt kann ich nur noch hoffen, dass Ihnen die Musik und die zugrunde liegende Empfindungsstruktur gefällt. Die verwendeten Texte sind:
Aber ein Mund, ein Mund –,
, der singt und spricht …,
dürft ich nur hören,
((Rainer Maria Rilke, aus: SPÄTE GEDICHTE, Leipzig: Insel 1935, S. 103))
rohes Gehör
((vgl. Karl Marx, MEW / Ergänzungsband I, S. 541))
, wie Regen Sorge tragend
((Rainer Maria Rilke, aus: NEUE GEDICHTE, Leipzig: Insel 1950, S. 41))
Aus Blick und Traum
Menschenduft
((Nicolaus A. Huber))
Platz da!!
((vgl. Heinz Dieter Kittsteiner,: Mit Marx für Heidegger – Mit Heidegger für Marx, München: Fink 2004, S. 83))
Die übrigen Artikulationen stammen aus den Hölderlinzeilen:
Das Erdenrund ist so geschmückt,
, und höher
((aus: Friedrich Hölderlin: Turmgedichte, München 1991, S. 53 bzw. 55, Der Herbst bzw. Der Winter))
Nicolaus A. Huber (2004)