Misato Mochizuki (*1969) Intermezzi II
[Koto] 2002 Dauer: 6'
Uraufführung: Schwaz (Festival klangspuren), 8. September 2002
8 Seiten | 30,5 x 23 cm | 61 g | ISMN: 979-0-004-18435-6 | geheftet
Die Serie meiner Stücke mit dem Titel „Intermezzi“ („Intermezzi 1“ für Flöte und Klavier, „Intermezzi 2“ für Koto solo) wurde von einem Gedanken Roland Barthes’ über den fragmentarischen Diskurs inspiriert. Eine Vielzahl seiner Bücher sind in diesem Stil geschrieben: Ohne einen zuvor festgelegten Argumentationsfaden folgen Reflexionen über verschiedene Themen aufeinander. Diese Art der Rhetorik erlaubt ihm, die Simultaneität von Gedanken auszudrücken, das Aneinanderstoßen oder die Verdichtung. Der Geist des Lesers wird fortwährenden Brüchen ausgesetzt und ist so gezwungen, eine neue Art der Synthese herzustellen. Vielleicht ist das eine elegante Art, das Unfassbare durch die Anhäufung seiner Erscheinungen einzukreisen.
Fragmentarisch schreiben: Die Fragmente sind also Steine im Umfeld des Kreises: Ich breite mich kreisförmig aus: Mein ganzes kleines Universum besteht aus Krümeln; in der Mitte, was?
Wenn man also die Fragmente in eine Reihe legt, ist keine Organisation möglich? Doch: Das Fragment ist wie die musikalische Idee eines Zyklus’ („La Bonne Chanson, Dichterliebe“): Jeder Teil genügt sich selbst, und zugleich ist er nie mehr als der Raum zwischen den ihn umgebenden Teilen: Das Werk besteht nur aus Außertextlichem. Derjenige, der (vor Webern) die Ästhetik des Fragments am besten verstanden und praktiziert hat, ist vielleicht Schumann; er nannte das Fragment ((Intermezzo)); er hat die Intermezzi in seinen Werken vervielfacht: Alles, was er schuf, war letztlich „eingefügt“: aber zwischen was und was? Was bedeutet die reine Abfolge von Unterbrechungen?
Das Fragment kennt ein Ideal: eine hohe Verdichtung, nicht von Gedanken oder von Weisheiten oder von Wahrheiten (wie in der Maxime), sondern von Musik: Der ((Ton)), etwas Artikuliertes und Gesungenes, eine Diktion würde sich der ((Entwicklung)) entgegen stellen: Dort müsste die „Klangfarbe“ regieren. „Kurze Stücke“ von Webern: keine Kadenzen: Wie souverän er es beherrscht, sich auf engem Raum zu drehen.
(Roland Barthes).
In „Intermezzi 1“ flüstern die Interpreten eine Folge von Wörtern, die von Roland Barthes entliehen sind: Unterbrechungen (Kurztexte, Brüche, Haikus, Notate, Sinnspiele; alles, was fällt, wie ein Blatt).
Misato Mochizuki (2002)
La série de mes pièces „Intermezzi“ est inspirée par la pensée de Roland Barthes sur le discours fragmentaire. Nombre de ses livres sont écrits dans ce style, ses réflexions sur des sujets divers se succédant sans lien argumentaire préétabli. Cette forme de rhétorique lui permet de traduire la simultanéité des pensées, l’entrechoquement ou la condensation des idées. L’esprit du lecteur, forcé à la rupture permanente, est acculé à une synthèse d’un genre nouveau. Peut-être une manière élégante de cerner l’insaisissable par l’accumulation de ses manifestations.
„Ecrire par fragments : les fragments sont alors des pierres sur le pourtour du cercle : je m’étale en rond : tout mon petit univers en miettes; au centre, quoi?“
„Quoi, lors qu’on met des fragments à la suite, nulle organisation possible? Si: le fragment est comme l’idée musicale d’un cycle (Bonne Chanson, Dichterliebe): chaque pièce se suffit, et cependant elle n’est jamais que l’interstice de ses voisines: l’oeuvre n’est faite que de hors-texte. L’homme qui a le mieux compris et pratiqué l’esthétique du fragment (avant Webern), c’est peut-être Schumann; il appelait le fragment ((intermezzo)); il a multiplié dans ses oeuvres les intermezzi: tout ce qu’il produisait était finalement intercal: mais entre quoi et quoi? Que veut dire une suite pure d’interruptions?“
„Le fragment a son idéal: une haute condensation, non de pensée, ou de sagesse, ou de vérité (comme dans la Maxime), mais de musique: au ((développement)), s’opposerait le ((ton)), quelque chose d’articulé et de chanté, une diction: là devrait règner le timbre. Pièces brèves de Webern: pas de cadence: quelle souveraineté il met à tourner court!“ („roland BARTHES par roland barthes“)
Dans „Intermezzi 1“, les interprètes chuchotent une suite de mots empruntée à Roland Barthes: Incidents (mini-textes, plis, haïkus, notations, jeux de sens, tout ce qui tombe, comme une feuille)
Misato Mochizuki (2002)