Jürg Baur (1918–2010) Perché
Fragmente nach Gedichten von G. Ungaretti [Soli,GCh,Orch] 1996 Dauer: 36' Text: Giuseppe Ungaretti
Soli: ST – Chor: SSAATTBB – 2(2Blfl.ad lib).2.2.B-Klar.2. – 4.3.3.1. – Pk.Schl(3) – Hfe – Str
UA: Düsseldorf, 24. Oktober 1968
1. Teil
I. Warum? (Solostimmen, Chor, Orchester)
II. St. Martin vom Karst (Solotenor, Orchester)
III. Einsamkeit (Chor, Orchester)
IV Ich bin eine Kreatur (Solosopr., Orchester)
V. Brüder (Chor, Orchester)
2. Teil
VI. Ruhe (Chor, Orchester)
VII. Genuß (Solotenor, Orchester)
VIII. Sich gleich (Solostimmen, Orchester, Chor)
IX. Heiter (Solosopran, Orchester)
X. Bitte (Chor, Orchester)
Notizen zum Werk:
Perchè entstand während eines Rom-Stipendiums in der Villa Massimo 1968, als Auftrag des Städt. Musikvereins Düsseldorf, zu dessen 150jährigem Bestehen; die Uraufführung erfolgte mit dem Musikverein und den Düsseldorfer Sinfonikern im Herbst 1968 unter der Leitung von Chordirektor H. Schmidt. Angeregt wurde die Komposition durch eine Reihe von Gedichten des großen italienischen Lyrikers G. Ungaretti (1888-1970). Ungaretti gilt als Erzvater der modernen italienischen Dichtung, als voce vivente, lebendige Stimme. In Ungarettis kurzen expressiven aphoristischen Versen spricht der Mensch in seiner Geworfenheit, in seinem Ausgeliefertsein an Angst und Schrecken, die uns immer wieder äußerlich und innerlich bedrängen. Warum (Perchè), fragt der Dichter, geschieht das alles an mir und vor mir? Die vom Komponisten ausgewählten Gedichte (aus verschiedenen Zyklen Ungarettis) sind zu zwei großen Teilen mit je fünf Sätzen zusammengestellt worden, in denen abwechselnd der 4 - 8stimmige Chor, die beiden Solisten einzeln hervortreten oder sich Chor und Solisten verbinden. Der Part des Orchesters ist größtenteils selbständig geführt, und deutet, teils mit dunklen oder grellen oder lichten Klangfarben oder herber strenger Linearität die Stimmung und die Essenz der Gedichte aus. Die beiden Groß-Teile der Komposition stehen in deutlichem Kontrast; im ersten herrschen (textlich und musikalisch) Dunkel, Verzweiflung, Ausweglosigkeit vor; im zweiten verbreiten sich Trost, Helligkeit, Hoffung. Während der erste Zyklus nur einen einzigen Schauplatz hat, den des Grauens, umschließt der zweite eine fast programmatische Folge von lichteren Bildern.
In den einzelnen Abschnitten finden moderne Satztechniken vielfache Verwendung; neben dodekaphonisch aufgesplitterten Passagen stehen Clusterflächen und streng lineare Strukturen. Die Musik soll letztlich die Aussage des Dichters Ungaretti vertiefen, verhalten, distanziert, voll Emotion –„Mehr Empfindung als Malerei."
(Jürg Baur)