Ludwig van Beethoven (1770–1827) Violinromanzen G-dur op. 40 und F-dur op. 50
Urtext der neuen Beethoven-Gesamtausgabe herausgegeben von Shin Augustinus Kojima [Vl,Orch]
Solo: Vl – 1.2.0.2 – 2.0.0.0 – Str
Der Klavierauszug und die Studien-Edition (Studienpartitur) sind beim G. Henle Verlag erhältlich.
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Als Ludwig van Beethoven um 1800 die beiden vorliegenden Werke komponierte, war die „Romanze“ als Gattungsbezeichnung für ein gefühlvolles, sangliches Instrumentalstück trotz einiger Sätze mit diesem Titel alles andere als etabliert. Beethoven selbst nannte die Werke in den Autographen zwar „Romance“, bot sie aber Breitkopf & Härtel jeweils als „Solo“ zur Inverlagnahme an – und sein Bruder Karl sprach dem Verlag gegenüber gar von „2 Adagios“. Dessen ungeachtet sind die beiden Violin-Romanzen Beethovens seit dem Erscheinen der Erstausgaben 1803 und 1805 dauerhaft populär geworden.
Die vorliegende Urtext-Ausgabe geht auf die Autographen und Erstdrucke als Hauptquellen zurück.
Die Bezeichnung „Romanze“ als Titel für reine Instrumentalstücke wurde erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts üblich – zunächst in Frankreich, wo F. J. Gossec den langsamen Satz seiner Sinfonie Opus 5 Nr. 2 aus den Jahren 1761/62 erstmals mit Romance überschrieb. In Wien war es wohl Carl Ditters von Dittersdorf, der den Begriff als Erster verwendete (im langsamen Satz seiner Sinfonie Opus 7 Nr.1, 1773). Haydn nahm dies in seiner Sinfonie Nr. 85, Mozart im d-moll-Klavierkonzert KV 466 und in der „Kleinen Nachtmusik“ KV 525 auf. Das gemeinsame Merkmal all dieser Sätze ist ein besonders gesanglicher Charakter. Ansonsten war der Terminus mit keiner festen Gattungs- oder Formvorstellung verbunden. Beethoven mag für seine Opera 40 und 50 die Bezeichnung „Romanze“ aufgegriffen haben, weil ihm ein anderer Titel dafür fehlte, waren die beiden Werke doch als Einzelstücke ohne Vorbild (eine Romance cantabile für Klavier, Flöte, Fagott und Orchester aus den Jahren 1792/93 hatte er nicht vollendet). Das Autograph von Opus 40 (Bonn, Beethoven-Haus) ist mit Romanze per il violino, das von Opus 50 (Washington, Library of Congress) nur mit Romance überschrieben. Die beiden Erstausgaben verwenden jeweils die französische Schreibweise.
Über die Entstehungsumstände der beiden Romanzen ist kaum etwas bekannt. Einem Eintrag ins Konversationsheft Nr. 109 vom 23. April 1826 könnte man entnehmen, dass Beethoven sie für den Geiger Ignaz Schuppanzigh geschrieben hat („Er wird eine von den Romanzen spielen, die Sie für ihn componirt haben“). Es muss aber dahingestellt bleiben, ob die Bemerkung tatsächlich wörtlich zu nehmen ist. Immerhin war es Schuppanzigh, der die einzigen zu Lebzeiten Beethovens nachweisbaren öffentlichen Aufführungen der beiden Werke spielte. Nicht präzise zu bestimmen ist die Entstehungszeit der zwei Stücke. Schriftanalysen an den Autographen zeigen, dass Opus 50 das ältere der beiden Stücke ist. Es entstand wohl 1798, während Opus 40 wohl erst in den Jahren 1800/1801 komponiert worden sein dürfte. Bei Opus 50 sprechen auch Wasserzeichenuntersuchungen für die angegebene Datierung, die außerdem durch den Bericht über eine Akademie des Bassisten Ludwig Fischer vom 5. November 1798 bestätigt wird, bei der Ignaz Schuppanzigh „ein Konzert von Viotti und ein Adagio von Beethoven“ gespielt haben soll (mitgeteilt von C. F. Pohl in der Wiener Neuen Presse vom 18. Dezember 1869). Dass es sich dabei um die F-dur-Romanze handelte, dürfte außer Frage stehen, auch wenn nur von einem Adagio die Rede ist. Die Bezeichnung „Romanze“ als Titel für einen eigenständigen, langsamen Konzertsatz hatte sich noch nicht fest eingebürgert. Sogar Beethovens Bruder Karl sprach von „2 Adagios für Violin, mit ganzer Instrumentalbegleitung“, als er am 18. Oktober 1802 bei Breitkopf & Härtel in Leipzig und am 23. November bei André in Offenbach wegen einer Inverlagnahme von Opus 40 und 50 anfragte. Nachdem sich diese Verlagsverhandlungen zerschlagen hatten, bot Beethoven selbst eines der beiden Stücke am 27. August 1803 nochmals dem Verlag Breitkopf an, und zwar als „Solo für die Violin mit einiger Begleitung“. Die beiden Stücke erschienen aber schließlich bei anderen Verlagen, Opus 40 im Dezember 1803 (Anzeige im Intelligenzblatt Nr. 58 zur Zeitung für die elegante Welt III vom 17. Dezember) bei Hoffmeister & Kühnel in Leipzig, Opus 50 über ein Jahr später, im Frühjahr 1805 im Wiener Kunstund Industriekontor (Anzeige vom 15. Mai in der Wiener Zeitung).
Beethovens Violin-Romanzen sind zwar populär und beliebt, erscheinen jedoch nur selten in Konzertprogrammen. Das ist wohl bereits zu Beethovens Zeit so gewesen, wo die beiden Werke zwar durch Arrangements für Klavier zu vier Händen oder Klavier und Violine Verbreitung fanden, jedoch nur zwei öffentliche Aufführungen nachzuweisen sind: außer dem Konzert vom 5. November 1798 mit der F-dur-Romanze noch das Augartenkonzert vom 11. Mai 1826, bei dem Schuppanzigh wahrscheinlich die G-dur-Romanze spielte. Möglicherweise wurde Opus 50 vor dem Wiener Konzert von 1798 auch noch in Prag aufgeführt.
Bonn, Herbst 1996