Jürg Baur (1918–2010) Musik mit Robert Schumann
[Orch] 1972 Dauer: 15'
2.2.2.2. – 4.3.3.0. – Pk.Schl – Hfe -Str
Uraufführung: Hannover, 13. März 1972
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Variationen (Ouvertüre / Thema / Variation / Coda), Lyrisches Intermezzo (Sostenuto), Symphonische Nachklänge (Allegro con moto).
Immer wieder lassen sich Komponisten von Themen älterer oder auch zeitgenössischer Meister zu Variations-Zyklen anregen (Brahms: Händel- und Haydn-Variationen, Reger: Mozart-Variationen, Höller: Sweelinck-Variationen). Themen von Robert Schumann fanden bisher relativ selten Beachtung - (Regers Schumann-Variationen für zwei Klaviere sind eine Ausnahme) – vielleicht, weil sie zu sehr in sich vollendet und abgeschlossen sind und deshalb kaum Möglichkeiten zur Veränderung enthalten. Dennoch beschäftigte mich schon länger die Idee, eine „Musik mit Schumann“, Nachklänge oder Erinnerungen an Schumann zu gestalten, mit der Absicht, ein heiteres, liebenswürdiges (und nachdenkliches) Werk zu schreiben, einmal ohne Experimente-, als „Divertimento“ für den Normalhörer, gelegentlich behutsam verbunden mit modernen Techniken – nicht ohne hintergründigen Humor.
Der 1. Satz wurde inspiriert von den „Papillons“ (opus 2 für Klavier); er gliedert sich in vier variationsähnliche Abschnitte. Die „Ouvertüre“ exponiert drei kurze Themen, die sich trotz ihres gegensätzlichen Charakters wie selbstverständlich ergänzen (Einleitungsgirlande und Schlußfanfare der Papillons und das bekannte Anfangsmotiv aus „Vogel als Prophet“). Die Abschnitte „Thema“, „Variationen“ und „Coda“ entwickeln und verändern das Hauptthema der „Papillons“; dieses dominiert über weite Strecken des Satzes und wird mit den Motiven der Ouvertüre kombiniert.
Vielfältig gegliedert ist das „Lyrische Intermezzo“. Zu Beginn gewinnt ein Motiv aus den „Nachtstücken“ (für Klavier) Bedeutung, taucht mehrere Male auf, von mehrtönigen b-a-c-h Clustern „gestört“. Im Mittelpunkt stehen das Thema des 2. Satzes der g-moll Klavier-Sonate op. 22 (ein Mondnachtlied ohne Worte; Holzbläser) und ein Adagio-Gedanke aus dem Klavier-Zyklus „Kreisleriana“ (tiefe Streicher); beide Themen werden kontrapunktiert von zwölftönigen Strukturen und Klangbändern (Holzbläser).
Die „Frühlings-Symphonie“-Fanfare eröffnet das Finale. Danach bilden sich über rotierenden Klangflächen (Streicher) einzelne Töne und Intervalle, aleatorisch frei, verdichten sich, wie aus der Erinnerung auftauchend, zu Motiven aus Schumanns bekanntester Symphonie. Nach diesem zögernden Beginn entwickelt sich ein fast klassisch anmutender Sonaten-Durchführungsteil mit mehreren melodischen Gedanken (Kopfmotiv der g-moll Klaviersonate, tänzerische und ostinate Themen aus der Frühlings-Symphonie), die zum Teil in- und übereinander geschichtet werden, bis auf dem Höhepunkt des Satzes das Schlußthema der Klavierfantasie op. 17, pathetisch-ironisch in den Blechbläsern erklingt. Eine kurze Reprise mit dem Hauptgedanken führt zur Anfangsfanfare zurück; der Satz verklingt im pianissimo.
Wollte man dem ganzen opus ein Motto voranstellen, dann die Schumann-Überschrift (aus den Kinderszenen) : „Fast zu ernst“ – aber eben nur „fast“.
(Jürg Baur)
CD:
Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Ltg. Hanns-Martin Schneidt
CD Thorofon CTH 2270
Bibliografie:
Wallerang, Lars: Die Orchesterwerke Jürg Baurs als Dialog zwischen Tradition und Moderne, Köln: Dohr 2003.
Nonnenmann, Rainer: Vergegenwärtigungen. Umgang mit historischem Material bei Zimmermann, Baur, Killmayer, Schnebel und Zender, in: Jürg Baur, hrsg. von Ulrich Tadday (= Musik-Konzepte. Neue Folge, Heft 184/185), München: Edition Text+Kritik 2019, S. 26-46