Jürg Baur (1918–2010) Mit wechselndem Schlüssel
Liederzyklus [mSt,Klav] 1967 Dauer: 25' Text: Paul Celan
Uraufführung: Düsseldorf, 1967
Uraufführung der Orchesterfassung: Bonn, 27. September 2002
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Warum gerade ein Orchester-Liederzyklus nach Celan-Gedichten zum Beethoven-Jubiläum 2002? Was verbindet die humanistischen Ideen des genialen Klassikers mit dem gespaltenen Menschenbild eines der bedeutendsten Lyriker des 20. Jahrhunderts? Vielleicht die Gestaltung des Außergewöhnlichen in Wort und Ton? - oder die innere Einsamkeit des großen Künstlertums?
Der mir zum diesjährigen Bonner Beethovenfest gegebene Kompositionsauftrag war an kein bestimmtes Thema gebunden. Beim Nachdenken über einen sinnvollen Beitrag mit Beethoven-Bezug erinnerte ich mich an mein 1967 komponiertes Werk Mit wechselndem Schlüssel, Lieder nach Paul Celan für Bariton und Klavier (aus Celans Gedichtbänden „Mohn“ und „Gedächtnis“ und „Von Schwelle zu Schwelle“), entstanden während einer sehr progressiven Schaffensperiode, inspiriert von Versen, die Vergangenheit und Gegenwart poetisch verschlüsselt miteinander verknüpfen. Länger schon plante ich, diesen Zyklus zu orchestrieren – das schien mir jetzt der geeignete Ansatz zur Erfüllung meines Auftrags, denn ich wollte zugleich das Werk formal anders gestalten, die sieben einzelnen Gesänge unter einem großen symphonischen Bogen zusammenfassen. So entstand ein ganz neues Opus – eine Art Solo-Kantate für Singstimme und Orchester – durchaus im Beethovenschen Sinn und Geist, da ich mich während der Ausarbeitung der neuen Fassung von Kompositions- und Instrumentations-Ideen und -Prozessen aus Beethoven-Symphonien anregen ließ. So zum Beispiel bei der Durchführung von charakteristischen Motiven und Strukturen: im Prolog und im ersten Lied (Kristall), oder bei der Gestaltung dramatischer Bewegungsabläufe – etwa im vierten Lied (In Gestalt eines Ebers), bei der Darstellung kammermusikalisch-lyrischer Stimmungen im fünften Lied (Nachts) und bei titanischen Klangausbrüchen im Schlussgesang (An den langen Tischen der Zeit), schließlich bei der formalen Gliederung des ganzen Werks in fünf symmetrisch angeordnete, größere Sätze.
Fazit: ein Beitrag zur Synthese von zeitgenössischer Lyrik und Musik im Geiste Beethovens.
(Jürg Baur, 2002)
LP/CD
Franz Müller-Heuser, Wilhelm Hecker
LP Schwann VMS 2043
CD Matthias Güdelhöfer (Bariton), Oliver Drechsel (Klavier)
CD Verlag Dohr DCD 008
Bibliografie:
Schröter, Axel: Zum Liedschaffen Jürg Baurs, in: Jürg Baur, hrsg. von Ulrich Tadday (= Musik-Konzepte. Neue Folge, Heft 184/185), München: Edition Text+Kritik 2019, S. 96-114.