Hans Zender (1936–2019) Horch, horch, die Lerch' im Ätherblau!
[Fl,Klav] 2001 Dauer: 7'
Uraufführung: Graz, Februar 2003
Auftragswerk des Internationalen Wettbewerbs der Universität Graz „Schubert und die Moderne“
28 Seiten | 23 x 30,5 cm | 116 g | ISMN: 979-0-004-18128-7 | geheftet
Die Flöte ist mein Lieblingsinstrument – immer wieder habe ich für sie geschrieben. So konnte ich auch einer Anfrage nach einem Stück für Flöte und Klavier für den Grazer Wettbewerb 2003 nicht widerstehen. Es sollte virtuos für beide Spieler sein, und etwas mit Schubert zu tun haben. „Da sollte man vielleicht das Lied ,Horch, horch, die Lerch’ im Ätherblau…‘ zitieren, das klingt doch schon so vogelhaft-flötenähnlich“, sagte ich aus Spaß am Telefon. Aber dann sah ich mir dieses Lied, das ich bisher nur aus dem Inhaltsverzeichnis eines Schubert-Bandes kannte, einmal an, und war sofort gefangen von dem ihm eigenen Rausch eines verzückt-seligen Schwebens, wie ihn nur Schubert erzeugen kann. Das Shakespear’sche Original des von Schlegel übersetzten Gedichtes war bald gefunden, und mir gefiel der Gedanke, nun auch zu Schuberts Musik eine Übersetzung oder besser gesagt einen Kommentar zu liefern.
Als erstes erfand ich zwei Grundbewegungen meiner Musik: einen sehr lebhaft-bewegten, flatternden und tanzenden Charakter, der auch manche Floskel „realen“ Lerchengesangs anklingen lässt und einen äußerst langsamen, sich nur in winzigen Nuancen verändernden Charakter, der wie ein in der Luft „stehender“ Vogel den Klang durch ständiges Umflirren definiert. Beide Charaktere sollten sich mehrfach ablösen. Die Verbindung zum Schubertlied wurde durch die ersten 6 Töne der Schubertschen Melodie hergestellt. Diese Melodie zeigt ihre eigene interne Logik besonders deutlich, wenn man ihren 5. und 6. Ton um einen Halbton erhöht:
In dieser Form bildet sie die strukturelle Basis für die Tonhöhenbewegungen in meinem ganzen Stück. Sie scheint auch in dessen Coda als fast unhörbare Bassnoten durch das chaotisch sich auflösende Gewebe: Während sich die Flöte in Doppel- und Flatterzungen immer mehr der Region des Unhörbaren nähert, werden die Spektren über den erwähnten, vom Klavier unhörbar angeschlagenen und festgehaltenen Bassnoten durch explosionsartige Glissandi und Clusters erregt, sodass anstelle eines „realen“ nur eine Art Horizont von Klang hervorgebracht wird. Und siehe da, kurz vor Schluss, ganz versteckt in höchster Höhe: erscheinen da nicht winzige Stückchen des „wahren“ Schubert, kurz aufblitzend wie in Sonnenstrahlen?
(Hans Zender, 2006)