Jörg Birkenkötter (*1963) 3 Sätze und Coda
[gemTrio] 2000/01 Dauer: 22'
Bar-Sax(S-Sax).Schl.Klav
UA der Erstfassung: Berlin, 11. März 2001
UA der vollständigen Fassung: Stuttgart, 31. Januar 2002
80 Seiten | 29,7 x 42 cm | 538 g | ISMN: 979-0-004-50263-1 | Mappe
Saxophon, Schlagzeug, Klavier: drei sehr verschiedene Klangkörper, jeder für sich allein auf ganz unterschiedliche Weise die kompositorische Phantasie anregend. Aber: wie sollte daraus ein Klangganzes entstehen, ein homogener und darüber hinaus spezifischer und nur für dieses Stück charakteristischer Ensembleklang? Ein Gesamtklang also, in dem sich die heterogenen Bestandteile gegenseitig sinnvoll und sinnlich erfahrbar begründen? Klang existiert aber (zumindest in meinem musikalischen Denken) nicht für sich allein, kann nicht isoliert gedacht werden. Zum Klang gehört immer auch Struktur, Raum und Zeit, in denen er sich entfaltet, seine Verbindung mit anderen Klängen, Bewegung, Richtung, musikalische Form. Ich habe daher dem Stück über weite Strecken ein komplexes, sich in vielschichtig durchdringender Prozesshaftigkeit ständig erweiterndes Zeit-Netz zugrunde gelegt, das zunächst ganz ohne Rücksicht auf die zu verwendenden Klänge entworfen ist. In einer Art permanenter Schnitttechnik springt die Musik dabei ständig hoquetusartig zwischen verschiedenen kleinsten Grundeinheiten hin und her (Sechzehntel-, Achtel- punkt, Achtel-Puls).
In Konfrontation mit diesem labyrinthisch verzweigten Zeit- und Form-Netz empfand ich die instrumentale Ausgangssituation zwar nach wie vor als heterogen und widersprüchlich, aber doch auch sich gegenseitig kommentierend, die jeweilige Charakteristik und instrumentale Aura relativierend und so letztlich aus sich selbst heraus wieder formbildend. Außerdem ergaben sich neben der erwähnten Suche nach dem ganz individuellen, unberührten Klang Möglichkeiten zur Integration scheinbar vertrauterer, virtuos-instrumentaltypischer Spielweisen, denn das Gestalthafte, Figurative wird durch die permanenten Schnitte wieder zum charakteristischen, individuellen Klang-Impuls zusammengepresst.
Die aus der Konfrontation solch unterschiedlicher Sphären resultierende Sperrigkeit aber setzt kommunikative Qualitäten ins Werk. Die Musik begnügt sich nicht mit nur auf sich selbst bezogene Klang- bzw. Struktur-Bastelei, sondern möchte ihre Zuhörer ansprechen, sich ihnen mitteilen, ohne dabei einer von vornherein funktionierenden, also falschen Sprachfertigkeit zu erliegen. Das erfordert umgekehrt ein bewegliches, aktives, mitarbeitendes Hören, eine sich im Verlauf des Stückes ständig verändernde, also erweiternde Hörhaltung.
(Jörg Birkenkötter)
CD:
Trio Accanto: Marcus Weiss (Saxophon), Yukiko Sugawara (Klavier), Christian Dierstein (Schlagzeug)
CD So near so far, Edition Zeitklang, ez-31029