Hans Zender (1936–2019) Bardo
[Vc,Orch] 2000 Dauer: 26'
Solo: Vc(mit Rundbogen ad lib.) – 2(Picc).2.2.0 – 2.2.2.1 – Pk.Schl(3) – 2Klav – Str: mind. 6.5.4.4.2
UA: Winterthur, 30. September 2000
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Das tibetanische Wort „bardo“ bedeutet „zwischen“. Man kann es als Beschreibung der musikalischen Form dieses Stückes lesen, die sich in zweimal fünf etwa gleich langen Abschnitten „zwischen“ Solo und Tutti bewegt; man kann darin einen Hinweis auf seine spezifische Harmonik sehen, die oft nicht nur den Einzelton, sondern ganze Akkordketten „zwischen“ einem Vierteltonintervall pendeln lässt. Endlich drückt es eine grundlegende Eigenschaft jeder Musik aus, deren einzelne Klangmomente niemals isoliert begreifbar sind, sondern individuelle Plätze „zwischen“ Anfang und Ende eines Zusammenhanges einnehmen.
Für den, der sich schon einmal mit dem „Tibetanischen Totenbuch“ (Bardo Tödrol) befasst hat, enthält das Wort „bardo“ allerdings noch weitere Hinweise. Es bezeichnet dort das Zwischenreich, in dem die Seele nach dem Tod auf ihrem individuellen Weg weiter wandert und sich mit schreckhaften oder beseligenden Erlebnissen konfrontiert sieht. Die gewaltigen Bilder dieses Buches standen während der Arbeit an diesem Stück vor meinem Bewusstsein.
Das Stück wurde geschrieben im Auftrag des Musikkollegiums Winterthur aus Anlass des 125-jährigen Jubiläums seines Orchesters und ist Heinrich Schiff in herzlicher Freundschaft gewidmet.
(Hans Zender, 2000)
Textbeitrag für ein Violoncello-Buch:
Es waren verschiedene neue Möglichkeiten, die ich in „Bardo“ zum ersten Mal verwirklichen wollte: 1) der – von Michael Bach entwickelte – Rundbogen kann im gleichzeitigen Anstreichen aller 4 Saiten die wunderbare „braune“ Farbe des Cellotons zu einem satten Dunkelbraun vertiefen, und eröffnet für experimentierfreudige junge Cellisten neue technische Spielfelder; 2) das beigeordnete „Concertino“ von 2 Klavieren und 1 Schlagzeuger erlaubt das Entstehen einer – gegenüber dem Orchester – zweiten autonomen Spielebene; daraus resultiert ein Gesamteindruck „zwischen“ Kammermusik und Orchestermusik (zusätzlich ergibt sich der probentechnische Vorteil, dass man die größere Hälfte des Stückes mit den Solisten außerhalb der Orchesterproben erarbeiten kann); 3) der Solist – vom ersten bis zum letzten Takt fast ständig präsent – erhält durch die formale Anlage des Stückes den Charakter eines verkörperten Energiezentrums, das den Hörer auf der Klangwanderung des Stückes von Landschaft zu Landschaft führt: trotz aller virtuoser Aufgaben muss er ein Höchstmaß von konzentrativer Kraft ausstrahlen, die den Hörer auch durch dunkle und zerklüftete Wegstrecken „hindurchzieht“. Eine neue Deutung der Funktion des Solisten in der Form des Solokonzertes, wie ich sie vorgebildet finde in den Solokonzerten von B. A. Zimmermann.
(Hans Zender, 2003)
CDs/DVD:
Gustav Rivinius (Violoncello), Junge Deutsche Philharmonie, Ltg. Hans Zender
CD Dialoge („Allianz Kulturstiftung“)
Heinrich Schiff (Violoncello), SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg, Ltg. Hans Zender
CD Hänssler classic, 93.128
Gustav Rivinius (Violoncello), Symphonieorchester des BR, Ltg. Hans Zender
DVD, wergo, NZ 64
Bibliografie:
Hasegawa, Robert: „Gegenstrebige Harmonik“ in the Music of Hans Zender, in: Perspectives of New Music 49, Heft 1 (Winter 2011), S. 207-234.