Jörg Herchet (*1943) das geistliche jahr. kantate zum letzten sonntag im kirchenjahr
[GCh,Ens] 1999 Dauer: 27' Text: Jörg Milbradt
Chor: SATB – 4Blfl – Schl(2) – Org
der ökumenische kantatenzyklus „DAS GEISTLICHE JAHR“ betrachtet die sonn- und festtage des kirchenjahres aus unterschiedlichsten deutungsperspektiven. die texte spielen auf das jeweilige evangelium an. die musik der in form und besetzung äußerst verschiedenen kantaten bezieht alle tonstrukturen auf einen allintervallakkord. (Jörg Herchet)
UA Dresden, 19. November 2000
Das Stück - 27 Minuten - bezieht sich auf das Gleichnis der klugen und törichten Jungfrauen. Diese Einteilung wird in der Kantate allerdings nicht wertend vorgenommen, drohende Strafen gibt es schon gar nicht.
Die räumliche Aufstellung hat zu freien, allgemeinen Strukturen geführt, die zwar durch die individuelle Ausführung eine polyphone Klanglichkeit entfalten, aber nicht schwierig (höchstens etwas ungewohnt) für den Chor sind:
- Schlagzeug am Altar, Männerchor (geteilt) mit je zwei Blockflöten auf zwei Emporen (quasi antiphonal) einander gegenüber mit dem lateinischen Text
- die Frauen (deutscher Text) verteilt im Publikum; in der Mitte des Stückes gehen zwei Drittel von ihnen zum Altar - singend, Schlagzeug spielend nach TECHNOmodellen
- die Orgel fern in der Höhe.
Der Dirigent hat meist weniger auf Präzision im Zusammenklang zu achten, als die Aktionen zu organisieren.
Einer Kantate zum Ende des Kirchenjahres kommt es selbstverständlich auch zu, das Verhältnis von Zeit und Ewigkeit anzurühren; so steht das Wiederkehrende (Männerchor, Flöten, Orgel) dem in seinem einmaligen Erklingen (Schlagzeug) und seiner Entwicklung aus einem Ursprung zu immer differenzierteren Strukturen bis hin zum vermittelten Kontrast (Frauen und Schlagzeug - letzte Hälfte) gegenüber.
Text (Jörg Milbradt)
ob einmal aufspränge oben ein fenster und einer
hart an die wand gedrückt erlauschen wir ein rauschen weitab
ob einmal einer dann herausgelehnt aus dem fenster winkte
unstet trifft ins ohr aber auch gelächter und das ‚zu spät‘
ob einmal zeichen gäbe dieser eine die uns überweise dennoch einbegleichen
der wand fast vermählt träumen wir schwester zu schwester vom aufspiel drüben
invocabitis me, et ego exaudiam vos:
et reducam captivitatem vestram de cunctis locis
(nach luther: „Ihr werdet mich anrufen, und ich werde euch erhören:
und will eure Gefangenschaft wenden und euch sammeln von allen Orten.“aus jeremias 29,12.14)
Bibliografie:
Herchet, Jörg: Musik und Spiel – oder: Gott würfelt nicht, in: „im lichtstrom versunken nun sonnenhaft“. Dokumente zum Schaffen des Dresdner Komponisten Jörg Herchet, hrsg. von Christoph Sramek, Altenburg: Kamprad 2013, S. 118–122