Antonio Vivaldi (1678–1741) Concerto a-moll RV 445
herausgegeben von David Lasocki [Snino-Blfl(A-Blfl,Fl,Picc),Str,Bc]
Siehe auch ein anderes bekanntes Solokonzert von Vivaldi, Concerto C-dur RV 444
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Das Concerto a-moll RV 445 von Antonio Vivaldi blieb zu Lebzeiten des Komponisten unveröffentlicht. Die Entstehungszeit des Werks ist nicht bekannt. Das Autograph wird zusammen mit den beiden anderen überlieferten Flautino-Konzerten Vivaldi (RV 443, RV 444) in der Biblioteca Nazionale in Turin aufbewahrt.
Der Erstdruck des Werks erfolgte in der von Gian Francesco Malipiero herausgegebenen Vivaldi-Ausgabe Opere strumentali (19451972).
Die vorliegende MUSICA RARA-Ausgabe geht auf das Autograph zurück.
Vorwort
In der Giordano-Sammlung von Vivaldis Handschriften in Turin gibt es drei Konzerte für das Flautino: zwei in C-dur (RV 443 und RV 444) sowie das vorliegende in a-moll (RV 445). Über die Identifizierung des Soloinstruments ist viel diskutiert worden bislang ohne endgültiges Ergebnis. Der Herausgeber ist jedoch davon überzeugt, dass es sich um eine Sopranino-Blockflöte handelt. Dies soll im Folgenden näher begründet werden.
Antonio Vivaldi schrieb viele Werke für Blasinstrumente einschließlich der Sopran- bzw. Altblockflöte, die er flauto nannte, und der Traversflöte, die er als flauto traverso, flauto versier oder flaute travers bezeichnete, womit er die beiden Instrumente klar voneinander unterschied. Flautino ist die Verkleinerungsform von Flauto und schon aufgrund des Namens müssen wir uns darunter eine kleine Blockflöte vorstellen. Eine kleine Flöte hätte wohl den Namen flautino traverso oder so ähnlich bekommen. Denkbar wäre auch eine Art Flageolet dies legt der Eintrag in J. G. Walthers Musicalischem Lexicon (Leipzig 1732) nahe: Flautino, Flauto piccolo (ital) Petit Flûte (gall.) ist eben was Flageolet. Walther gibt für das Instrument d1 bis e3 als Tonumfang an. Für das Wort flautino finden sich in der Literatur der Zeit nur zwei weitere Einträge: Daniel Speers Grundrichtiger [] Unterricht (Ulm 1697) erwähnt Flautino, eine Quart-Flöt, früher als Blockflöte mit einem Umfang über zwei Oktaven von c1 bis c3 identifiziert, und William Tansur schreibt in A New Musical Grammar (London 1746) Flautino A very small Flute [d. h. Blockflöte].
Betrachten wir nun den Umfang der Flautino-Solopartie in den Konzerten Vivaldis. In RV 444 taucht c1 zweimal in Tutti-Stellen auf, sonst bewegt sich der Tonumfang zwischen f1 und e3. In RV 443 gibt es einmal e1 an einer Tutti-Stelle, ansonsten liegt der Umfang zwischen f1 und f3 . In RV 445 kommt e1 in Tutti- Stellen häufiger vor, sogar einmal in einer Solo-Passage (Satz 3, Takt 134) davon abgesehen ist die Solopartie zwischen f1 und f 3 angesiedelt. Trotz dieser Notation kann man davon ausgehen, dass die Partie eine Oktave höher klingen sollte. Die Sopranino- Blockflöte reicht von f 2 bis g4, die Piccoloflöte von d2 bis e4 (oder bis a4 je nach Fertigkeit des Spielers) und das Flageolet entweder von d1 bis e3, wobei es vielleicht eine Oktave höher klingt, oder für das kleine Vogel-Flageolet von g1 bis f 3 (klingt ebenfalls einer Oktave höher). Keines dieser Instrumente erfüllt also den erforderlichen Umfang von c2 bis f 4.
Nehmen wir einmal an, dass der Komponist vielleicht aufgrund seiner Zeitknappheit die tiefen Noten in den Tutti-Passagen nicht beachtet hat. Das Konzert RV 445 enthält in den Violinen etliche Noten, die unter dem Tonumfang des Instruments liegen. Der Interpret dürfte sie eine Oktave höher spielen oder für sein Instrument anders einrichten. Übrig bleibt, außer einer Note in RV 445, ein Rahmen von f 2 bis f4, und dies entspricht exakt dem Tonumfang der Sopranino-Blockflöte.
Für die Piccoloflöte hat Dr. Dale S. Higbee in seinem Beitrag Michel Corette on the Piccolo and Speculations regarding Vivaldis Flautino (in: Galpin Society Journal XVII [1964], S. 115) votiert. Für ihn ist das tiefe E in der Solopassage ausschlaggebend genug, die Sopranino-Blockflöte auszuschließen. Er merkt an, dass Corette die Piccoloflöte in seinem Lehrbuch (Paris, ca. 1735) erwähnt, und weist darauf hin, dass Vivaldi etwa zur gleichen Zeit von diesem neuen Instrument erfahren und dafür etwas komponiert hat. Gewiss war der Komponist immer auf der Suche nach neuen Möglichkeiten so schrieb er auch für die damals neue Klarinette. Wenn auch der Umfang e2 bis f 4 auf der seinerzeit einklappigen Piccoloflöte realisierbar ist, so ist die Partie dennoch sehr schwierig. Vor allem das hohe F ist auf den damaligen Flöten ein ungünstiger Ton und dies gilt wahrscheinlich auch für die Piccoloflöte. Er kann nur mit einem halb geschlossenen Griffloch gelingen und dies ist nicht möglich, wenn die Note in schnellen Läufen auftaucht, wie es oft in diesen Konzerten geschieht. Die Tonarten sprechen ebenfalls gegen die Piccoloflöte. Damals wurde in der Flötenmusik wegen der schwierigen Intonation normalerweise nur der Grundtonart D-dur nahestehende Tonarten verwendet. Die Blockflötenmusik hingegen ist eher in der Nähe ihrer Grundtonart F-dur angesiedelt und Tonarten wie C-dur und a-moll waren sehr gebräuchlich. Auch der Schwierigkeitsgrad kann ein Indiz sein. Die Flautino-Konzerte sind sehr schwer sowohl für Sopranino-Blockflöte als auch für die einklappige Piccoloflöte. Vivaldis Blockflötenkonzerte sind normalerweise anspruchsvoller als seine Flötenkonzerte, sodass er ein Werk von hohem Schwierigkeitsgrad für ein kleines Flöteninstrument eher einer Blockflöte als einer (Travers-)Flöte anvertrauen würde. Nebenbei sei auch erwähnt, dass Vivaldi das Flautino mehrfach in seinen Opern verwendete, so 1720 in La Verità in Cimento. Dies ist deutlich früher als die erste Erwähnung der Piccoloflöte bei Corrette.
Mit diesen Argumenten kommt die Piccoloflöte nicht mehr in Betracht und es bleibt im vorliegenden Werk lediglich ein tiefes E als Problem übrig. Nach Auffassung des Herausgebers ist auch dies ein Versehen des überarbeiteten Komponisten. Das beabsichtige Instrument war die Sopranino-Blockflöte. Es bleibt den Interpreten überlassen, die Werke auch auf anderen Instrumenten zu spielen: auf einer modernen Piccoloflöte, einer Sopranoder Altblockflöte und auch auf einer Querflöte.
Im vorliegenden Konzert muss der Solist, der eine Sopranino- Blockflöte verwendet, entscheiden, wie er bei den Tutti-Stellen mit dem tiefen E umgeht. Eine Lösung ist, die Tutti-Stellen auszulassen und nur die Solopassagen zu spielen. Alternativ können diese Noten eine Oktave höher gespielt oder weggelassen werden.
Über die Artikulation und Ornamente der zeitgenössischen italienischen Blockflötenspieler wissen wir fast nichts. Das erste italienische Lehrwerk für irgendein Blasinstrument erschien erst um etwa 1770. Aus diesem Grund hat der Herausgeber auf jegliche Vorschläge zur Interpretation verzichtet. Man kann jedoch vermuten, dass sich die Artikulation der Holzbläser an der Violinpraxis orientierte, wenngleich für die sehr raschen Läufe eine Art Doppelzunge verwendet worden sein könnte. Extrem schnelle 32tel-Läufe wie in Satz I, Takt 86 und 91 wurden höchstwahrscheinlich gebunden. Die Vorschläge in Satz I, Takt 4446 und 8789, sowie Satz III, Takt 11, 93, 96 und 154, wurden wohl eher recht kurz (kürzer als eine 16tel) und auf der Taktzeit gespielt. Die kurzen Triller in Satz I, Takt 5255 und 89f., im ganzen Satz II und in Satz III, Takt 127129, sind wohl als eine Art Pralltriller zu verstehen. Andere Triller sollten wie üblich mit Vorschlag und Schlusswendung gespielt werden.
Die Flautino-Stimme ist im Violinschlüssel notiert. Sie soll vermutlich eine Oktave höher klingen. Die dynamischen Angaben entstammen der Quelle. Gestrichelte Bögen und einklammerte Triller oder Vorzeichen stammen vom Herausgeber. Die Notation der Vorschläge und Pausen ist den modernen Gepflogenheiten angepasst.
Iowa City, Frühjahr 1969
David Lasocki