Johann Sebastian Bach (1685–1750) Violinkonzert E-dur BWV 1042
Urtext herausgegeben von Klaus Hofmann [Vl,Str,Bc] Dauer: 17'
Solo: Vl – Str – Bc
Bachs E-dur-Konzert wirft bis heute ungelöste Fragen auf, was die Interpretation betrifft.
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Mit Sigiswald Kuijken, dem Barock-Violinexperten, stellt ein weiterer renommierter Interpret seine Erfahrungen für Breitkopf-Neuausgaben zur Verfügung. Bachs E-dur-Konzert wirft bis heute ungelöste Fragen auf, was die Interpretation betrifft. Die Bogensetzung des Soloparts ist in der Hauptquelle mitunter abenteuerlich. Ob sie überhaupt auf Bach zurückgeht, ist fraglich, und umso mehr sind die Vorschläge des erfahrenen Solisten zur stilgerechten Gestaltung ein großer Gewinn.
Klaus Hofmann geht in der Ausgabe für Violine und Tasteninstrument soweit, dass er drei Violinstimmen beifügt (1. in der Textfassung der neuen Partitur – 2. mit Bezeichnungen und Anmerkungen von Sigiswald Kuijken – 3. als Faksimile aus der Hauptquelle). Der Interpret ist so umfassend informiert und kann kompetent eigene Entscheidungen treffen. Der Continuopart von Siegfried Petrenz ist sparsam ausgesetzt und gut spielbar.
1. Allegro |
2. Adagio |
3. Allegro assai |
Bachs Violinkonzert in E-dur BWV 1042 hat nach dem 1857 von Siegfried Wilhelm Dehn besorgten Erstdruck des Verlags C.F. Peters in Leipzig und der 1874 erfolgten Edition durch Wilhelm Rust in Band 21/1 der Gesamtausgabe der Bach-Gesellschaft nur allmählich den Weg in die öffentliche Konzertpraxis gefunden. Inzwischen freilich zählt es, zusammen mit dem Schwesterwerk in a-moll BWV 1041, seit fast hundert Jahren zum klassischen Violinrepertoire.
Das Konzert wird in der Bach-Literatur traditionell Bachs Köthener Hofkapellmeisterjahren (1717–1723) zugewiesen. Leider ist es nicht in Originalquellen, sondern nur in Abschriften aus späterer Zeit überliefert. Die früheste und wichtigste dieser Quellen ist eine gegen 1760 geschriebene Partitur beider Violinkonzerte aus dem Besitz des Berliner Musikers Johann Friedrich Hering (1724–1810), die heute in der Musikabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin unter der Signatur Mus. ms. Bach P 252 aufbewahrt wird. Schreiber ist ein unbekannter Berliner Kopist, der offenbar für Hering tätig war. Hering selbst tritt in der Abschrift mit verschiedenen Ergänzungen in Erscheinung. Außerdem finden sich Zusätze (insbesondere zahlreiche Hinweise auf den Wechsel von „Solo“ und „Tutti“ im Solopart) von der Hand Carl Friedrich Zelters (1758–1832), der von 1800 an Direktor der Berliner Sing-Akademie war. Hier wurde das Werk in den Jahren 1812 –1814 mehrfach aufgeführt.
Die Berliner Staatsbibliothek bewahrt außerdem einen vom Schreiber der Partitur P 252 angefertigten Stimmensatz, der den Besitzvermerk „Hering: 1760“ trägt (Signatur: Mus. ms. Bach St 146), ferner eine von unbekannter Hand offenbar für Zelter geschriebene Partitur (Signatur: Mus. ms. Bach P 253) und eine Continuostimme des frühen 19. Jahrhunderts (Signatur: H 729). Alle drei Handschriften gehen jedoch – nach den Feststellungen des Kritischen Berichts zu dem von Dietrich Kilian besorgten Band VII/3 der Neuen Bach-Ausgabe – auf P 252 zurück. Für die Textredaktion ist somit nur diese Quelle von Belang.
Eine bedeutsame Spur hat Bachs verschollene Originalpartitur außerhalb dieses Quellenbestandes hinterlassen in Gestalt der um 1738 erfolgten Umarbeitung des Werkes zum Cembalokonzert D-dur BWV 1054. Die autographe Partitur dieser Werkfassung ist in der Handschrift Mus. ms. Bach P 234 der Berliner Staatsbibliothek enthalten. Sie leistet bei zweifel- und fehlerhaften Lesarten der Quelle P 252 wichtige Dienste.
Unsere Ausgabe folgt grundsätzlich der Handschrift P 252. Dabei gibt sie den Notentext einheitlich nach heutigen Notationsgepflogenheiten wieder; dies betrifft namentlich die Akzidentiensetzung und die Vortragsbezeichnungen. An drei Stellen (Satz I T. 77, Satz II T. 31 und Satz III T. 140), an denen Zweifel aufkommen können, ob unsere Hauptquelle den Soloviolinpart richtig überliefert, geben wir als Alternative den Verlauf der Solostimme nach der Cembalofassung an; Näheres erläutert der Revisionsbericht. Aus anderen Gründen greifen wir außerdem für T. 119f. des ersten Satzes auf die Cembalofassung zurück: Hier bietet P 252 zwar offenbar die Originallesart, doch scheinen Bach später bei der Einrichtung für Cembalo Bedenken gegen die abspringenden Dissonanzen bei den Wechselnotenfiguren auf dem 3. Viertel von T. 119 und dem 1. und 3. Viertel von T. 120 gekommen zu sein, und so änderte er die bereits in die Partitur eingetragene ursprüngliche Version im Sinne des in unserer Ausgabe im Ossia-System wiedergegebenen Stimmverlaufs.
Ein besonderes Problem stellt die Bogensetzung unserer Hauptquelle dar; sie ist außerordentlich nachlässig, uneinheitlich und ungenau. Man hat den Eindruck, dass der Schreiber die Bögen ziemlich sorglos „irgendwie“ gesetzt hat, ohne einen Gedanken an deren musikalische und technische Bedeutung zu verschwenden. Nicht auszuschließen ist freilich, dass auch seine Vorlage schon ähnlich unzuverlässig bezeichnet war. Das Ergebnis ist jedenfalls weithin ebenso unklar wie vieldeutig und zwingt zu einem ständigen Abwägen zwischen musikalischen und spieltechnischen Aspekten. Insgesamt kann unsere Wiedergabe daher nur als ein Versuch der Annäherung an das ursprünglich Gemeinte gelten, der andere Lösungen keineswegs ausschließt. Da das Problem fast ausschließlich die Solostimme betrifft (und hier auch die Cembalofassung von P 234 nur wenig weiterhilft), geben wir den Part im Anhang als Faksimile- Reproduktion der entsprechenden Partiturausschnitte nach P 252 wieder. So kann sich der Benutzer ein eigenes Bild vom Quellenbefund machen und gegebenenfalls auch andere Lösungen entwickeln.
Für die genaue Deutung der Vortragszeichen in den Orchesterpartien erweist sich die Cembalofassung in P 234 als hilfreich. Bei dem fünfmal auftretenden Ritornell des Schlusssatzes, das in P 252 jedesmal etwas anders bezeichnet ist, ohne dass sich darin ein Sinn erkennen ließe, haben wir uns entschlossen, für alle Ritornelle einheitlich die aus P 234 ersichtliche Artikulationsform zu übernehmen.
Abgesehen von den hier genannten Ausnahmen sind Zusätze zum Quellentext im Partiturbild durch Klammern, bei Bögen durch Strichelung gekennzeichnet. Die Ergänzungen beruhen durchweg auf dem Analogieprinzip und beschränken sich auf dieses, zielen also keineswegs auf eine vollständige Bezeichnung.
Die Generalbassbezifferung ist einheitlich in moderner Umschrift, aber ohne Ergänzung fehlender Ziffern wiedergegeben. Insgesamt ist sie sehr lückenhaft, bisweilen auch inkonsequent. Ob sie auf Bach oder etwa auf einen fremden Bearbeiter zurückgeht, lässt sich heute nicht mehr sagen. Im Blick auf die raschen Tonrepetitionen des Generalbasses im ersten Satz (T. 9f. und öfter) sei der Cembalist an die Empfehlung Carl Philipp Emanuel Bachs erinnert, in solchen Fällen jeweils nur die 1., 3., 5., 7. usw. Note einer Sechzehntelfolge anzuschlagen.
Über weitere Einzelheiten der Textredaktion informiert der am Schluss abgedruckte Revisionsbericht.
Der Musikabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz sei für die Erlaubnis zur Verwendung ihrer Handschriften freundlich gedankt. Mein besonderer Dank gilt Sigiswald Kuijken, dessen Rat mir eine große Hilfe bei der Deutung der Bogensetzung in P 252 war.
Göttingen, Frühjahr 2004
Dazu käuflich lieferbar:
Stimmen OB 5355
Ausgabe für Violine, Tasteninstrument und Violoncello (ad lib.) von Siegfried Petrenz EB 8694
Diese Ausgabe enthält vier separat beigelegte Stimmen:
– Solostimme
– Solostimme mit Fingersätzen, Bogenstrichen und aufführungspraktischen Anmerkungen von Sigiswald Kuijken
– Faksimile der Solostimme aus P 252
– Violoncellostimme
Den vollständigen Text mit Fußnoten/Anmerkungen bieten wir als PDF zum Download an.