Hans Zender (1936–2019) Music to hear
nach dem 8. Sonett von William Shakespeare [S,Orch] 1998 Dauer: 17' Text: William Shakespeare
Solo: S Fl.Echo-Fl – 2Fl.3Klar – Pos – 5Vl.2Va.2Vc.Kb
UA: Wien, 2. November 1999
In diesem Stück gibt es drei Aspekte, die auffällig sind:
1. Die Harmonik des Stückes verfügt über 72 Töne pro Oktave - mit dieser (gegenüber der zwölftönigen Chromatik sechsmal feineren) Kontrolle über die kleinsten Intervalle, die sich in meinen letzten Stücken (besonders in Shir Hashirim) entwickelt hat, entstehen eine neue Farbigkeit und neue harmonische Konstruktionen.
2. Der Raum wird zum Mitwirkenden, und zwar hier im Sinne einer Perspektive: Drei Spielorte, deren dritter als „entfernt“ bezeichnet ist, ermöglichen die Auffächerung des Klangs und ein Netz von echoartigen Beziehungen der Gruppen.
3. Die Worte des 8. Shakespeare-Sonetts, das dem Stück seinen Titel gab, werden zunächst „sinngemäß“ gelesen, wobei die kleinzellige, chaotisch-repetitive Mosaikform der Musik die zeitliche Folge und die syntaktische Beziehung der Worte auf ihre Weise aufnimmt und fortsetzt. In der zweiten Hälfte des Stückes ereignet sich jedoch zweimal eine abrupte Zeitdehnung: unter der scheinbar konventionellen Darstellung natürlich-harmonischen Lebens öffnet sich der Abgrund der Individuation, welcher die Schlusszeile gegen den Strich liest: „thou single wilt prove none“ ist nicht mehr die Warnung, aus der Reihe zu tanzen, sondern die Erkenntnis des unausweichlichen Schicksals dessen, der „sein' Sach' auf nichts gestellt“ hat.
Das Werk ist Julie Moffat gewidmet, mit Dank für eine schon lange währende musikalische Partnerschaft und für ihre Eigenschaft, niemals einen falschen Ton zu singen.
(Hans Zender, 15. Juni 1999)
William Shakespeare: Sonnet VIII
Music to hear, why hear'st thou music sadly?
Sweets with sweets war not, joy delights in joy:
Why lov'st thou that which thou receiv'st not gladly,
Or else receiv'st with pleasure thine annoy?
If the true concord of well-tuned sounds,
By unions married, do offend thine ear,
They do but sweetly chide thee, who confounds
in singleness the parts that thou shouldst bear.
Mark how one string, sweet husband to another,
Strikes each in each by mutual ordering;
Resembling sire and child and happy mother,
Who, all in one, one pleasing note do sing:
Whose speechless song, being many, seeming one, Sings this to thee: „Thou single wilt prove none.“
CD:
Julie Moffat (Sopran), Eva Furrer und Katrina Emtage (Flöte), Klangforum Wien, Ltg. Hans Zender
CD KAIROS 0012262KAI
Bibliografie:
Gerhardt, Frank: Hans Zenders „Music to hear“, in: Musik und Ästhetik 6, Heft 23 (Juli 2002), S. 61-78.
Hasegawa, Robert: „Gegenstrebige Harmonik“ in the Music of Hans Zender, in: Perspectives of New Music 49, Heft 1 (Winter 2011), S. 207-234.