Hans Zender (1936–2019) Canto VI
[BBar,GCh,Tb ad lib.] 1988 Dauer: 13'
Uraufführung: Stuttgart, 23. Mai 1990
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Hans Zender verwendet in Canto VI simultan die Psalmtexte 22 und 23 in hebräischer Sprache. Die Vertonung des 23. Psalms von Franz Schubert kann – ad libitum – durch ein Tonband zugespielt werden. Das Werk ist Heinz Enke zugeeignet.
"Der Keim für Canto VI entstand nach einer Aufführung des 23.Psalms von Franz Schubert in meiner Orchesterfassung. Eine junge Theologin stellte die Frage, ob es überhaupt noch möglich sei, die Welt des 23.Psalms in unserem Jahrhundert zu gestalten.
Meine Antwort war eine Komposition, welche die völlige Geborgenheit des 23.Psalms durch die Überlagerung mit dem 22.Psalm, dem Psalm der verzweifelten individuellen Leidensempfindung, durch gleichzeitiges Erklingen zu einer Art von Einheit verschränkt. Es ist die Einheit der ,,gegenstrebigen Fügung" (Heraklit), die für viele meiner Kompositionen, wie z.B. auch für meine Oper Stephen Climax, wichtig ist. Der 23.Psalm erscheint in diesem Stück in einem syllabisch komponierten vierstimmigen homophonen Chorsatz, dessen Akkorde ausnahmslos ,,Ringmodulatorklänge" sind, d.h. Grundintervalle mit Summations- und Differenzton. Die Klänge dieses Psalms erscheinen in äußerster Langsamkeit und im äußersten Pianissimo.
Gleichzeitig deklamiert der Solosänger in einem sehr expressiven, völlig andersartigen Stil den 22.Psalm.
In einem abschließenden dritten Teil wird zwar keine ,,Synthese" gezeigt, es wird aber jenseits des Dualismus der Komposition durch einen entfernt aufgestellten Sänger eine dritte Ebene skizziert, welche jenseits der Gegensätze liegt:
ihr Fürchtenden den Herrn
preiset ihn, aller Same Jakobs
verherrlicht ihn
und erschauert vor ihm
aller Same Israels!
denn nicht hat er missachtet
und nicht hat er verschmäht
die Gebeugtheit der Gebeugten
und nicht hat er versteckt sein Antlitz
vor ihm
und den Stöhnenden zu ihm hat er gehört.
Psalm 22, 24-25
Dem Dirigent der Aufführung steht es frei, an einer bestimmten Stelle einige Takte des 23.Psalms in der Vertonung von Franz Schubert einzuspielen, welche meiner Instrumentation des Schubertschen Psalms entnommen sind. Das Stück ist in hebräischer Sprache komponiert."
(Hans Zender)
CD:
David Pittman-Jennings (Bassbariton), Kammerchor Saarbrücken, Ltg. Georg Grün
CD audite 97.456
Bibliografie:
Schulz, Reinhard: "Offenheit des Hörens". Zu Hans Zenders "Canto VI" und "Shir hashirim", in: Programmheft "Paradisi Gloria" des Bayerischen Rundfunks zum Konzert vom 19. Juli 2002, S. 61-78.