Jan Dismas Zelenka (1679–1745) Miserere c-moll ZWV 57
Urtext herausgegeben von Matthias Hutzel und Thomas Kohlhase [S,GCh,Orch] Dauer: 18'
Solo: S – Chor: SATB – 0.2.0.0. – 0.0.0.0. – Str – Bc
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Ausdrucksstarke Bitte
Jan Dismas Zelenkas Vertonung des 50. Psalms „Miserere mei Deus“ war vermutlich für die Karwoche des Jahres 1738 bestimmt. Damit liegt die Komposition zeitlich zwischen der Missa Sanctissimae Trinitatis (1736)* und der Missa votiva (1739), zwei Kompositionen aus dem Kreis von Zelenkas fünf späten Messen, die als Höhepunkt seines kirchenmusikalischem Schaffen gelten. Starke Kontraste sind ein auffälliges Stilmerkmal des Miserere c-moll, die Zelenka durch die Einbettung in eine zyklische Bogenform des Werkganzen abmildert. Grundlage für Partitur und Stimmenmaterial dieser Neuausgabe bildet Band 108 der Denkmälerreihe „Das Erbe deutscher Musik“, der 2018 von Wolfgang Horn umfassend revidiert wurde, insbesondere in Bezug auf das Vorwort und den Kritischen Bericht.
„Zelenkas künstlerische Persönlichkeit, seine Biographie und sein Komponistenstil fallen aus dem Rahmen. Sein Stil ist in hohem Maß experimentell...War Zelenka wirklich einer der größten Komponisten des 18. Jahrhunderts oder nur einer der interessantesten? Ich glaube, er hat noch manche Überraschung für uns bereit.“ (Schweizerische Musikzeitung)
„Zelenkas Messen - Prachtstücke barocker Chorliteratur, in manchen Partien farbenfroher gesetzt als Bachs entsprechende Komposition.“ (Die Welt)
1. Miserere I |
2. Miserere II |
3. Gloria Patri I |
4. Gloria Patri II |
5. Sicut erat |
6. Miserere III |
Der böhmische Bach-Zeitgenosse Jan Dismas Zelenka gilt neben Johann David Heinichen und Johann Adolf Hasse als einer der bedeutendsten Vertreter des Dresdner Barock. Johann Sebastian Bach kannte Zelenka persönlich und soll ihn laut Aussage seines Sohnes Carl Philipp Emanuel sehr geschätzt haben.
Zelenka wurde 1679 im böhmischen Launowitz (heute: Lunoviče) als Sohn eines Organisten geboren. Über seine Jugendjahre weiß man wenig. Vermutlich war er Schüler am Prager Jesuitenkollegium. Ab 1710/11 bis zu seinem Tode 1745 wirkte er – zunächst als Kontrabassist, später als Kirchenkomponist – an der Dresdner Hofkapelle.
Während eines längeren Wien-Aufenthaltes in den Jahren 1716–1719 trieb er Studien beim kaiserlichen Hofkapellmeister Johann Joseph Fux und legte eine handschriftliche Sammlung mit Werken älterer Meister (Morales, Palestrina, Frescobaldi u. a.) an, auf die er später wiederholt zurückgriff. Nach seiner Rückkehr konzentrierte sich Zelenkas Tätigkeit am Dresdner Hof vor allem auf organisatorische und kompositorische Arbeiten für den katholischen Hofgottesdienst. Neben Messen und Vespermusiken entstanden so auch Litaneien und Kompositionen für die Karwoche.
Das Miserere c-moll ist ein Spätwerk Zelenkas. Laut Eintrag in der autographen Partitur wurde es am 12. März 1738 fertiggestellt und ist zeitlich somit zwischen der Missa Sanctissimae Trinitatis (1736) und der Missa votiva (1739) anzusiedeln.
Diese Vertonung des 50. Psalms, „Miserere mei Deus“, war vermutlich für die Karwochenliturgie des Jahres 1738 bestimmt.1 Es handelt sich übrigens um das einzige Spätwerk Zelenkas, das nach seinem Tode nochmals in der Dresdner Hofkirche aufgeführt
wurde.
Das eigenwillige Stück fasziniert und irritiert durch seine starken Stil- und Ausdruckskontraste. So greift Zelenka im zweiten Satz (Miserere II), in dem der komplette Psalmtext vertont wird, sowie im substanzverwandten fünften Satz (Sicut erat) auf ein Ricercar aus Girolamo Frescobaldis Orgelmesse Messa degli Apostoli als Vorlage zurück. Die beiden durch strenge Kontrapunktik geprägten, beinahe archaisch anmutenden Teile heben sich stark von den übrigen Sätzen, Originalkompositionen Zelenkas, ab: Sie kontrastieren zum einen aufs Schärfste mit der im Werkzentrum stehenden gefälligen, empfindsamen Sopranarie
(Gloria patri I), zum anderen mit den hochexpressiven mottogebenden Rahmensätzen Miserere I und Miserere III, die der textlich vorgetragenen Bitte „Miserere mei Deus“ („Herr, sei mir gnädig“) durch lebhafte Rhythmen, scharfe Dissonanzen und extreme Dynamik nachdrücklich Ausdruck verleihen. Für das Wiederaufgreifen des ersten Miserere am Schluss des Werkes besteht aus textlich-liturgischer Sicht keine Notwendigkeit. Mit der auf die Sätze 3–5 verteilten Doxologie ist der Textvortrag an sich abgeschlossen. Dem abschließend nochmals verkürzt erklingenden Anfangssatz kommt also vor allem rahmenbildende Funktion zu; erst so entsteht die ausgewogene zyklische Bogenform des Werkganzen.
Der Klavierauszug von Matthias Grünert basiert – ebenso wie das von Breitkopf & Härtel angebotene Mietmaterial – auf der von Matthias Hutzel und Thomas Kohlhase in Band 108 des Erbe deutscher Musik herausgegebenen kritischen Partiturausgabe. Weitergehende Ausführungen zur musikalischen Gestalt und zum Entstehungskontext des Miserere finden
sich in dem dort enthaltenen ausführlichen Vorwort.
Leipzig, Frühjahr 2013
1) Vgl. hierzu sowie zu den nachfolgenden Ausführungen: Zelenka-Dokumentation: Quellen und Materialien, hrsg. von Wolfgang Horn und Thomas Kohlhase, Wiesbaden 1989, Bd. 1, S. 145f.