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Trompeten-Musik aus dem 17. und 18. Jahrhundert herausgegeben von Kurt Janetzky [2Trp]
z.T. mit Pauken und B.c.
24 Seiten | ISMN: 979-0-2004-2519-2 | Broschur
Bicinien, unbegleitete Zwiegesänge, welche gar lieblich auff allerley art Instrumenten gemacht können werden, von keiner sonder importantz, also auch nicht vor geübte Meister, sondern meisten theils nur zur Lust hierbey gesetzet synd, ob etwa jungen Musicis die Zeit damit zu vertreiben, sind uns vom 15. Jahrhundert an überliefert. Schon recht „alte Meister“ begannen also dieses ebenso bildende wie unterhaltende Genre praktischer Musikausübung zu pflegen. Alsbald fand der stetig fließende Strom dieser zweistimmigen – anfangs meist polyphon gehaltenen – Kompositionen immer mehr Liebhaber, um, vom Wandel der Stile ungehemmt, vor allem in empfindsamer Zeit und in der Romantik als Duo oder Duett, zu einer wahren Hochflut anzuschwellen.
Fast alle „blasenden und streichenden“ Instrumente sind im Verhältnis ihres jeweiligen Vorkommens nahezu gleichmäßig mit derartigen „instrumentischen Zwiegesängen“ bedacht worden. Ausdrücklich für Trompeten bestimmte Bicinien wird man dagegen nur sehr selten und in verschwindend wenigen Ausnahmen finden. Die Gründe dafür sind offensichtlich.
Um auf (ventillosen) Naturtrompeten – und nur um solche kann es sich bis zur Erfindung der Ventile (1813 durch Blühmel) und deren Einführung (1818 durch Stölzl) handeln – eine über die einfache Fanfarenmelodik hinausgehende Musik machen zu können, musste man sich hauptsächlich der Clarinlage (also etwa des obersten Drittels der praktisch ansprechenden Naturtonreihe) bedienen. Eine besondere Übung ermöglichte es, diese Tonskala fast lückenlos hervorzubringen. Sollte nun zu einer solchen, sich in eben dieser Clarinlage bewegenden Melodie eine „zweite Stimme“ gesetzt werden, so mußte sie sich entweder auf die wenigen darunterliegenden Naturtöne beschränken, oder sich ebenfalls (beispielsweise kanonartig) in der eine schon recht erhebliche Blaskunstfertigkeit voraussetzenden Höhenlage bewegen. So sehr diese musikalisch-künstlerisch einschränkenden Umstände an sich schon hemmend wirkten, tatsächlich ausschlaggebend war vielmehr das seinerzeit für alle der Kunst nicht zugethanen Persohnen, insonderheit der Bürger- und Dorff-Spiel-Leuthe, Bier-Fidler, Comoedianten, Gauckler oder Glücks-Büdner, aber auch Studiosi und Hauß-Leuthe bestehende Verbot, sich bei Bauer- oder Bürger-Hochzeit, ]ahr-Märckten, Kirchmeß oder ander Gelag mit Trompeten hören lassen, oder zu Auffzügen, Täntzen, March- und Lermen-Blasen Trompeten zu brauchen. War doch die „ritterliche“ (Längs-)Trompete nur einem sehr engen, und mit ganz besonderen Privilegien ausgestatteten, meist fürstlichen, oft gar königlichen Hof-, Heer-, Stabs- und Feld-Trompeterkreise vorbehalten, und galt doch schon die „heroisch-adlige“ Trompeterkunst für arg vulgarisiert, als in einzelnen Sonderfällen zwar nicht das Blasen der eigentlichen Trompeten, wohl aber der „Trompetenschall“, hervorgebracht auf sogenannten Wald-Hörnern, Inventions-Trompeten und anderen auff Trompeten-Arth zugerichteten Instrumenten einigen wenigen, ihrerseits wiederum recht strengen Zunft- und Innungsgesetzen unterworfenen Rats-, Stadt- oder Kirchenmusici großmütig und ausdrücklich zugestanden wurde.
Unter diesen Umständen versteht es sich von selbst, daß trotz allgemeiner, vom Hof wie Volk ganz gleich gezeigter Vorliebe für den strahlendhellen, stets festlich-prunkvoll glänzenden Trompetenklang, jedes nur schlicht und einfach unterhaltende Musizieren auf Trompeten kaum üblich, und die Verbreitung und Überlieferung allen derartigen Trompetenspielgutes so gut wie ausgeschlossen war. Bei den sich standesgemäß und klassenbewußt so peinlich-kleinlich streng von einander abgrenzenden Bläsergemeinschaften von zum Hof oder Heer gehörenden Beamten und Offizieren, von Zuriftgenossenschaftern und Innungsmitgliedern, von privilegierten Stadtpfeifern und Ratsbediensteten, von zugelassenen Kunstgeiger-Brüderschaften und „wilden“ Bläserbanden ist es nicht mehr als nur natürlich, daß menschliche Wesenszüge in allen erdenklichen Schattierungen zwischen aristokratischem Gewerbestolz und überheblichem Standesdünkel, künstlerischem Selbstbewußtsein und unbekümmertem Musikantentum, zwischen vornehmer Repräsentation, gesunder Berufsehre und mißgünstigem Brotneid vielfarbig schillernd, schon das Bekanntwerden ihrer jeweils „eigenen“ Trompeterstücke in jedem „fremden“ Trompeterhäuflein eifersüchtig verhinderten, und sich deren gar schriftlicher Verbreitung ganz selbstverständlich stets einmütig widersetzen. Noch viel weniger waren leider irgendwelche Aufzeichnungen von den Trompetern zu erwarten, die das volkstümlichste Element in ihrer Kunst vertraten. Waren es doch meist nur „Fahrende Leute“ und umherziehende Gaukler, die die immer wieder erneuerten Mandate wider das unbefugte Trompeten-Blasen missachteten und deshalb ständig mit recht empfindlicher Bestrafung zu rechnen hatten.
Etwas günstiger war die Lage im diesbezüglich freier eingestellten England. Hier entstanden hübsche, kleine zweistimmige Trompeterstückchen, von denen auch Georg Friedrich Händel einige für seinen Meistertrompeter Valentin Snow und die ausgezeichneten Königlichen Sergeant-Trumpeter der Familie Shore schrieb. Ein glückhafter Ausnahmefall ergab sich im seinerzeit recht abgeschiedenen mährischen Winkel des damaligen Europa: Am kunstsinnigen Hof des zwischen den Großmächten versteckt gelegenen Bistums Olmütz unterhielt der gleichermaßen kirchliche wie weltliche Rechte vertretende Fürstbischof Karl Liechtenstein-Kastelkorn eine ungewöhnlich leistungsfähige Hofkapelle mit einem besonders stark und glanzvoll besetzten Trompetenregister. Für diese Trompetergruppe mit dem auch selbst bedeutende kompositorische Tätigkeiten entfaltenden Feldtrompeter (tubicen campestris) Pavel Vejvanovsky wurden zahlreiche, sakrale wie auch profane, immer aber mehr- und vielstimmig trompetenglänzende Werke komponiert. Für sie schrieb auch Heinrich Ignaz Franz Biber als unbeschwerte Spielmusik die hier vorliegenden 12 zweistimmigen Trompetensonaten.
In deutschen Landen wehte freilich ein anderer Wind. Allenthalben überwachten Vertreter der verschiedenen Obrigkeiten die genaue Beachtung und strikte Einhaltung aller Erlasse und Vorschriften. Selbst als der Rat der Stadt Leipzig des großen Thomaskantors Johann Sebastian Bach berühmten Trompeter und Senior der Stadtpfeifer Gottfried Reiche porträtieren ließ, konnte er als Ratsmusiker mit Rücksicht auf die Hof- und Feldtrompeterprivilegien nicht mit einer „richtigen“ Trompete, sondern nur mit einem corno-di-cacciaartigen Instrument dargestellt werden. Der Maler Elias Gottlieb Haußmann gab ihm aber ein Notenblättchen mit einem Clarin-Virtuosenstückchen in die Hand, mit dem er ihn dem Beschauer gegenüber ganz zweifelsfrei als einen der größten Meister seiner Zeit und seines Faches vorstellt.
Wenn nun ungeachtet aller, durch diese vorstehend nur unvollkommen angezeigten Umstände erwachsenen Schwierigkeiten trotzdem der Versuch unternommen wird, eine kleine und bescheidene Sammlung musikalisch wertvoller und charakteristischer Beispiele volkstümlicher Spielmusik aus dem 17. und 18. Jahrhundert für 2 Trompeten zusammenzustellen, so geschieht es in erster Linie, um heutigen Trompetern etwas von dem Spielgut zu vermitteln, das auch auf modernen Ventiltrompeten im Sinne unserer Altvordern „lieblich zu Lust und Zeitvertreib“, aber auch zum fördernden Studium gut zu gebrauchen ist. Die ursprünglich dazu verwendeten Trompeten dürften etwa denen in unserer heutigen C- oder D-Stimmung entsprochen haben, was jedoch keineswegs ausschließt, das eine oder andere Stück in eine tiefere, und damit etwas bequemere Lage zu transponieren.
Darüber hinaus sollte versucht werden, das Bild des Hof- und Feldtrompeters, wie das des noch immer von Zunftgeheimnissen nebelhaft umwitterten Clarintrompeters anhand musikantisch-volkstümlichen Spielmaterials in ein allen gleichermaßen freundliches Licht zu rücken.
Das Herkommen der verwendeten Quellen ist bei der Mehrzahl der vorliegenden Stücke nicht mehr eindeutig nachweisbar. Meist sind es überlieferte Abschriften von zweiter oder gar dritter Hand, die fast ausnahmslos Spuren regen Gebrauchs zeigen.
Einige Fälle offensichtlich erst nach der Erfindung der Ventile erfolgter „Modernisierung“ der 2. Stimme sind auf die mutmaßliche Urfassung zurückgeführt worden. Eine Reihe nachträglicher dynamischer Angaben wurde jedoch belassen und durch Einklammerung als nur unverbindliche Ausführungsvorschläge gekennzeichnet.
Kurt Janetzky
1. (um 1700) | Bicinium a 2 Trompetten |
2. Adam Gumpelzhaimer (1559-1625) | Trompeten-Kanon a 2 |
3. Heinrich lgnaz Franz Biber (1644-1704) | 12 Sonatae a due |
4. Arcangelo Corelli (1653-1713) | Menuetto |
5. (um 1725) | Allegro |
6. (um 1750) | March |
7. (um 1735) | Allegro |
8. (um 1750) | Fanfare |
9. (um 1750) | Menuett |
10. (um 1750) | Menuett |
11. Georg Friedrich Händel (1685-1759) | Andante – Allegro |
12. Georg Friedrich Händel (1685-1759) | Gigua |
13. (um 1790) | Feldruf |
14. (um 1750) | Marcia |
15. Johann Ernst Altenburg (1734-1801) | Presto (Imitatio continus) |
16. Johann Ernst Altenburg | Bourrée |
17. Nicolaus Hasse (ab 1642 Organist an der Marienkirche zu Rostock) | Zween Aufzug |
18. Johann Jakob Löwe von Eisenach (1629-1703) | Capriccio |