Robert Schumann (1810–1856) Adagio und Allegro As-dur op.70
Urtext herausgegeben von Joachim Draheim [Hn(Vl/Vc),Klav]
“One of Schumann’s happiest creations.” (BBC Music Magazine)
28 Seiten | 23 x 30,5 cm | 128 g | ISMN: 979-0-004-18231-4 | Broschur
Ein Werk aus Schumanns „fruchtbarstem“ Jahr. Gemeint ist damit 1849, als Schumann eine Reihe Kammermusikwerke schrieb.
In der außergewöhnlichen Originalbesetzung für Horn und Klavier ist
Adagio und Allegro op. 70 natürlich am bekanntesten geworden. Zeitgenossen rühmten das „Stück aus dem Seelenleben“ und „die Wahrheit der Stimmungen, auf denen es ruht“. Da Schumann selbst für die weitere Verbreitung auch alternative Solostimmen für Violoncello und Violine anfertigen ließ, enthält die Neuausgabe drei Einzelstimmen. Nach eingehendem Vergleich mit der Stichvorlage geht der Notentext auf den zuverlässigen Erstdruck zurück.
Im Frühjahr 1849, seinem „fruchtbarsten Jahr“1, wie er selbst bemerkte, begann Robert Schumann in Dresden eine Reihe von Kammermusikwerken, in denen er – sicherlich in exemplarischer Absicht – jeweils ein im Repertoire bisher vernachlässigtes Instrument im Duo mit Klavier erprobte. Es entstanden die op. 73 für Klarinette (EB 8794), op. 70 für Horn, op. 102 für Violoncello (EB 8456) und op. 94 für Oboe (EB 8632) – als „Nachzügler“ die op. 113 für Viola (EB 8587) im März 1851 in Düsseldorf. Das vom 14. bis zum 17. Februar 18492 als „Romanze und Allegro“ entstandene und im Juli 1849 als „Adagio und Allegro“ op. 70 bei Friedrich Kistner in Leipzig erschienene zweiteilige Werk hat Schumann für „Pianoforte und Horn“ komponiert, wie es im Erstdruck heißt, aber dort auch eine Ausführung mit „ad libitum Violoncell oder Violine“ als Alternative freigestellt. Obwohl das Horn, ein Lieblingsinstrument der Romantiker, den melodischen Zauber des Adagio und den chevaleresken Schwung des Allegro klanglich am schönsten zum Ausdruck bringt,3 ist die vom Komponisten sanktionierte Fassung mit Cello, die natürlich auch der besseren Verkäuflichkeit wegen angeboten wurde, längst allgemein akzeptiert, während die Alternative mit Violine kaum gespielt wird.4 Wie sehr Schumann von den virtuosen Möglichkeiten des damals gerade aufkommenden Ventilhorns fasziniert war, zeigt sein op. 86, das er nur wenige Tage nach begann und das noch heute zu den schwersten Werken für dieses Instrument zählt und bei Aufführungen wegen der hohen körperlichen Anforderung gelegentlich von fünf statt von vier Hornisten geblasen wird.
Die herausragende Bedeutung von für das Repertoire erkannte bereits der erste Rezensent, der mit Schumann befreundete Emanuel Klitzsch, der am 29. März 1850 in der u. a. schrieb: „Die Verbindung des Pianoforte mit dem Horn ist längst schon als eine glückliche betrachtet worden, daher man auch Einzelnes für diese Gattung geschrieben, wiewohl immer nur in solcher Weise, daß der künstlerische Werth desselben äußerst gering anzuschlagen ist, weil es meist auf bloßen Effect abzielt, sei es nach der virtuosen Seite hin, oder hinsichtlich der Erzeugung eines sinnlich= schönen Tones, ohne ideale Bedeutsamkeit. Liegt doch überhaupt das ganze Solofach noch in so tiefer Bedeutungslosigkeit, daß man Mühe hat, den praktischen Musikern (also denen, welchen am meisten daran liegen sollte, daß ihre Kunst – im engeren Sinne des Wortes – zur Geltung gelange) zu demonstriren, daß auch hierin Höheres geleistet werden müsse, wenn die erwünschte Anerkennung ihnen zu Theil werden solle. Das vorliegende Concertstück weicht, wie es von unserem Meister zu erwarten war, von der gewöhnlichen Bahn ab. Es ist ein Stück aus dem Seelenleben, dem man die Nothwendigkeit seiner Existenz alsbald abmerkt; die Wahrheit der Stimmungen, auf denen es ruht, ist so schlagend und überzeugend, daß es, wie mich bereits die Erfahrung belehrt hat, der ausführende Künstler trotz mancher Schwierigkeiten immer wieder gerne zur Hand nimmt und seine Kräfte daran erprobt. Das Adagio, womit das Ganze beginnt, ist ein zartes Stück, für dessen romantische Stimmung das Horn seine entsprechenden Ausdrucksmittel um so mehr zur vollen Geltung bringen kann, je weniger dem Pianoforte, welches sich nicht passiv verhält, sondern concertirend Theil nimmt und mit seiner reichen Harmoniefülle belebend eingreift in den warmen Hauch des Hornklanges, es vergönnt ist, im Gesange seinem Begleiter nachzukommen ... Träumerisch verhallt das Ganze in ausgehaltenen Tönen, um die das Pianoforte in leiser Umspielung ein Gewebe hüllt, den Seelenfrieden seines Begleiters nicht zu stören. Doch jäh auffahrend reißt das Allegro in raschen und feurigen Schritten ihn aus seinem Insichversunkensein. Zu kühner That gleichsam will es ihn antreiben; es beginnt ein Kampf der Leidenschaft, der sich ernst und männlich hält, bis (im Mittelsatz, Fis-Dur, recte: H-Dur) plötzlich ein Rückfall in die erste Stimmung, eine mahnende Stimme eine kurze Ruhe eintreten läßt, aus der jedoch ein neuer Kampf sich gebiert, der mit erhöhter Kraft seinem Ziele zustrebt …“5
Die vorliegende Neuausgabe folgt dem ziemlich zuverlässigen Erstdruck; zum Vergleich wurde die Stichvorlage (Robert-Schumann- Haus Zwickau), die vom Komponisten revidiert wurde und auch eine Hornstimme sowie die alternativen Stimmen für Violine und Violoncello enthält, herangezogen. Kleine Unstimmigkeiten in der Dynamik (z. B. crescendo-Gabel in den Solostimmen versehentlich in T. 41 statt T. 40 des Allegro) und vor allem der Phrasierung, auch in den Alternativ-Stimmen, wurden durch Vergleich mit Parallelstellen, mit der Stichvorlage und mit den anderen Solostimmen stillschweigend korrigiert. Die Unterschiede zwischen der Hornstimme und den beiden Streicherstimmen bezüglich der Phrasierung und z. T. sogar des Stimmverlaufs selbst sind in der unterschiedlichen Spieltechnik von Blas- und Streichinstrumenten begründet.
Karlsruhe, Herbst 2005
1 Brief an Ferdinand Hiller vom 10. April 1849, in: hrsg. von F. Gustav Jansen, Leipzig 51904, S. 302.
2 Nach dem Autograph (Heinrich-Heine-Institut Düsseldorf); im Handexemplar des Komponisten (Robert-Schumann-Haus Zwickau) und im (Robert Schumann: , Band III: , Teil 2 (1847–1856), hrsg. von Gerd Nauhaus, Leipzig 1982, S. 483) ist nur der Beginn der Komposition am 14. Februar 1849 vermerkt.
3 Die erste Probe des neuen Werks fand am 2. März 1849 im Hause Schumann mit Julius Schitterlau, einem Hornisten der Dresdener Hofkapelle, und Clara Schumann am Klavier statt (Schumann: , Bd. III, S. 485).
4 Eine Ironie des Schicksals wollte es, dass die erste öffentliche Aufführung am 26. Januar 1850 in Dresden mit Franz Schubert, dem Konzertmeister der Dresdener Hofkapelle, und Clara Schumann auf die Violinfassung zurückgriff, was mehrere Gründe haben dürfte. Zum einen spielte Clara Schumann in diesen Jahren regelmäßig mit Franz Schubert Kammermusik, zum anderen dürfte gerade kein Hornist zur Verfügung gestanden haben, der den hohen technischen Ansprüchen des neuen Werks genügte. In einer späteren Auflage des Erstdrucks erscheint auf dem Titelblatt der Vermerk: „Diesem Werk ist auch eine Violastimme beigegeben.“ Bisher konnte aber kein Exemplar dieser Stimme nachgewiesen werden. Eine Aufführung mit Viola ist aus klanglichen Gründen nicht zu empfehlen.
5 32/1850, Nr. 26 vom 29. März, S. 133.