Johann Georg Reichard (1710–1782) Weihnachts-Weissagung
„Das Volk, so im Finstern wandelt“ herausgegeben von Wolfram Steude [mSt,2Vl,Va,Bc]
Nachdem Sie die gewünschten Ausgaben in den Warenkorb gelegt haben, können Sie dort die benötigte Stückzahl bei Bedarf noch anpassen.
Im Erzgebirge, im Vogtland und deren weiterer Umgebung sind in der zweiten Hälfte des 18. und im 19. Jahrhundert zahlreiche motetten- und kantatenhafte Vertonungen der alttestamentlichen Weihnachtsprophezeiung (Jesaja 9, 1-6) entstanden. Dieser Text hat seit alters her seinen Platz in der Christmette, wurde aber anscheinend bis zum genannten Zeitraum auf einem Lektionston rezitiert.
Mit dem vorliegenden Druck einer solchen Kantate wird zugleich eins der wenigen erhaltenen Dokumente alter Schleizer Musikpflege veröffentlicht. Die Weissagung Das Volk, so im Finstern wandelt wurde höchstwahrscheinlich von dem gräflich-reußischen Stadt- und Landrichter, späterem Amtmann und Rat Johann Georg Reichard wohl für den Hofgottesdienst komponiert. Reichard, der 1710 in Oels/Schlesien (heute Olefoica) geboren worden war und ab 1732 in Leipzig Jura studiert hatte, kam nach Schleiz und stieg vom Archivar in höhere juristische Ämter auf, stand zugleich aber als Nachfolger des Gottfried Siegmund Liebich (gest. 1736) der Hofkapelle als Direktor vor. Am 2. Juni 1782 starb er in Schleiz.
Eine kleine Anzahl seiner Kirchenkantaten und anderer Musiken für den Schleizer Hof (Serenaden usw.) hat sich in den Musikalien der ehemaligen Fürsten- und Landesschule St. Augustin zu Grimma, die jetzt in Dresden aufbewahrt werden, erhalten, teils im Autograph, teils in Abschriften seines Sohnes Heinrich Gottfried Reichard (1742-1801), der als Kantor, zuletzt als Konrektor in Grimma eine reiche musikalische und altphilologische Tätigkeit entfaltet hat.
Die Weissagungs-Kantate ist überliefert in einer anonymen Partitur von der Hand Heinrich Gottfried Reichards, der sie wohl selbst als Vierzehnjähriger, kurz vor der Mutation, gesungen haben dürfte, worauf die Jahreszahl Anno 17 56 hinweist. Er hat die Partitur im Alter wahrscheinlich nach den heute nicht mehr existierenden Originalstimmen hergestellt, so wie er es auch mit anderen Werken seines Vaters getan hatte. Ob und wieweit er dabei Retuschen im Notentext angebracht hat, läßt sich nicht mehr feststellen.
Die kleine liebenswürdige Komposition, die bei aller rokokohaften Leichtigkeit und Musizierfreude auch echt pathetische und innige Töne findet, wird sich gewiß in ihrer einfachen Ausführbarkeit Freunde gewinnen. Ihr liturgischer Ort ist auch heute noch Christmette bzw. Christvesper. Herrn Dr. Wolfgang Reich, Musikabteilung der Sächsischen Landesbibliothek Dresden, sei auch hier gedankt für die Veröffentlichungsgenehmigung.
Wolfram Steude, Dresden, im Januar 1972