Michael Obst (*1955) Caroline
Oper in 2 Teilen 1997-99 Text: Ralph Günther Mohnau
12 Solisten – Chor SATTBB – 3(Picc.2A-Fl)3(Eh).3.B-Klar.2(Kfg) – 4.3.3(Tenorbasspos).1. – Schl(3) – Hfe – Str 12.10.8.8.6. BM: Akk
Uraufführung: Weimar, 10. Juli 1999
AD: abendfüllend
Libretto : Ralph Günther Mohnnau
Ort und Zeit: Carolines Wohnhaus in Jena, Gefängnis der Festung Königstein, auf freiem Felde, in Mainz, Ende des 18. bis Anfang des 19. Jahrhunderts
Personen: Caroline (Sopran) - Auguste (Sopran) - Britischer Offizier, auch Schleiermacher (Tenor) - Goethe (Bariton) - Schelling (Bariton) - Friedrich Schlegel (Bariton) - Custine (Bass) - August Wilhelm Schlegel (Bass) - Landgraf von Hessen, auch August von Weimar, auch König von Preussen (Bass) - 4 Unzeitgemässe (Mezzosopran, Bariton, Bässe)
Verheiratet mit Schlegel und Schelling, war Caroline bekannt und befreundet mit vielen bedeutenden Persönlichkeiten ihrer Epoche: mit Goethe, mit Schiller, mit Georg Forster und mit den Romantikern, die in ihrem Jenaer Haus verkehrten, in das sie mit Schlegel zog und das als „Romantikerhaus“ in die Geschichte einging. Sie hatte das seltene Glück, „den Persönlichkeiten, mit denen sie in Freundschaft verkehrte oder in Liebe verbunden war, immer zu einem Zeitpunkt zu begegnen, da diese ihre schöpferischste Lebensphase hatten. Carolines Leben war widerspruchsreich, reich, unerfüllt und erfüllt“. (S. Damm)
Das Libretto schuf Ralph Günther Mohnnau, der sowohl Carolines in ihrer Zeit bemerkenswertes frauliches Selbstbewusstsein betont, aber auch ihre Ängste und Leiden. Er schildert die Zeit als eine politisch bewegte, an der Caroline regen (für die Zeitgenossen sogar zu regen) Anteil nimmt. Die Gedanken und Thesen der Französischen Revolution sind so gewichtig für Carolines Selbstverständnis wie später ihr Einfluß auf den Jenaer Kreis, wo sie Anregerin und Vollenderin gleichermaßen ist.
Die Oper zeichnet die Geschichte einer Frau, die gegen alle gesellschaftlichen Zwänge ein nur sich und ihrem Drang nach Unabhängigkeit und Freiheit verpflichtetes Leben führt, die darum angefeindet und verleumdet wurde von denen, die in diesem selbstbestimmten Dasein einen Affront gegen die hergebrachte Ordnung sahen. Vier Unzeitgemäße – äußerst interessante Theaterfiguren – kommentieren das Geschehen aus anderer Sicht. Sie kritisieren, provozieren, regen an und schaffen so das Reibungsverhältnis zwischen dem Geschehen und einer Draufsicht, die es dem Zuschauer ermöglicht, eigene Erfahrungen mit einbringen zu können und so eine Identifikation und subjektive Auseinandersetzung anregt. Eine der Hauptgestalten ist Goethe. 14 Jahre älter als Caroline, ist er nicht unempfänglich für ihren geistreichen Charme und ihre entschlossene Parteinahme zu seinen Gunsten gegenüber den Romantikern und bleibt ihr auf geheimnisvolle Art verpflichtet. Er wird aber auch gezeigt in seiner zwiespältigen Rolle als Staatsmann, überzeugter Anhänger der überkommenen gesellschaftlichen Verhältnisse und Gegner der Französischen Revolution.
Der Lebenskampf Carolines hat kaum an Aktualität eingebüßt, bedenkt man heutige Ungerechtigkeiten im Alltäglichen, Benachteiligungen und Ausgrenzungen von Frauen, die Verletzung ihrer Würde und Beleidigungen vieler Art. Diese Oper ist durchaus kein Emanzipationsstück, aber ein Kunstwerk, das sich mit Fragen der Menschenwürde und eigentlich selbstverständlichen Rechten auseinandersetzt.
Musikalisch der traditionellen Oper verpflichtet, werden in diesem Werk verschiedene Personenebenen nebeneinander gestellt. So setzt sich die als Ensemble behandelte Gruppe der „Unzeitgemäßen“ von den größeren sanglichen Bögen der Protagonisten ab, die wiederum in Kontrast zu den schwierigen Chorpassagen stehen. Dadurch wird eine große musikalische Vielfalt erreicht, die das anspruchsvolle Libretto nicht nur unterstützt, sondern dem Anliegen der Gattung gemäß sich mit diesem zu dem geforderten Gesamtkunstwerk verbindet.
(Brita Schmallowsky, Nationaltheater Weimar)