Michael Obst (*1955) Fábrica I
[Tb] 1994 Dauer: 17'
Uraufführung: Saarbrücken (Musik im 20. Jahrhundert), 1995
Fábrica ist eine Komposition über Maschinengeräusche und Klangatmosphären aus Fabriken, die ich im Archiv eines Hörspielstudios ausgewählt habe. Mein Ziel war dabei, eine kompositorische Verbindung zwischen diesen unverfälschten Klangräumen hin zu verfremdeten, mit dem vorliegenden Material entwickelten virtuellen Atmosphären und Klängen herzustellen. Ich wendete bei der Realisation grundsätzlich nur Schnitt- und Collagetechniken an. Dabei wurde ein Grad der Verfremdung des Ausgangsmaterials erreicht, der zu eigenen kompositorisch verwertbaren Strukturen führte, die zwar den ursprünglichen Klangraum noch besitzen, in ihrem Ablauf und ihrer Gestik jedoch von diesem völlig verschieden sind. Als besonders interessant stellte sich für mich heraus, daß sich durch die Neuordnung der Klänge hinsichtlich kompositorischer Gesichtspunkte ein Bedeutungswandel vollzog. Dies wird schon zu Beginn des Stückes deutlich, wenn die Abfolge von vier auf Maschinenhallen basierende Klangatmosphären mit ihren unterschiedlichen Tonhöhen in dieser gewählten Anordnung als musikalisches Motiv verstanden werden und nicht mehr als Klangcollage. Auf ähnliche Weise verhält es sich mit den vielen gestisch komponierten Strukturen: Ausgehend von extrahierten Klangzellen der Maschinengeräusche war es möglich, mit Hilfe metrisch dominierter Komposition eben dieser Klangzellen zu faszinierenden rhythmisch dominierten Passagen zu gelangen. Ich konnte musikalische Kompositionsprinzipien für die Realisierung von Fábrica anwenden, ohne einen Bruch zwischen struktureller Form mit ihrem musikalischen Inhalt und dem ursprünglichen Klangmaterial befürchten zu müssen. Sogar der umgekehrte Weg machte sich bemerkbar: Im Verlauf des Stückes sind einige Atmosphären von Maschinenhallen original zu hören. Durch deren Auswahl und ihr musikalisches Umfeld wird der Effekt hervorgerufen, daß die in diesen Klangräumen eingebetteten Geräusche als musikalisch bestimmt und nicht mehr als rein zufällig empfunden werden. Somit entstand eine Musik, die ihren Reiz aus der ständig wechselnden Interpretation dessen bezieht, was in Fábrica zu hören ist.
CD:
Produktion der Groupe de musique expérimentale de Bourges
CD Koch-Schwann 3-5037-3 (Andere Welten - 50 Jahre Neue Musik in NRW)
Bibliografie:
Obst, Michael: Fabrica - une analyse structurelle, in: Analyse et musique electroacoustique, Paris 1997.