Gerhard Müller-Hornbach (*1951) Gesang der Nacht
Teil IV aus „Gesänge der Liebe“ 1986 Dauer: 15'
Soli: S AFl.Va.Schl(2) – 2Vl.2Va.2Vc.Kb
UA Frankfurt am Main, 13.12.1987
Bereits während meines Romaufenthaltes in der Villa Massimo (1983/84) konzipierte ich die siebenteilige Hoheliedvertonung 'Gesänge der Liebe'. Immer, wenn mir Zeit dazu blieb, arbeitete ich seither an der Fertigstellung der Partiturreinschriften. Vier Teile liegen inzwischen vor. Die sieben Teile unterscheiden sich in der Größe der Besetzung stark voneinander. Die Teile 1 und 7 verwenden die volle Besetzung von zwei Vokalsolisten, einem 16-stimmigen Chor und Orchester. Alle weiteren Teile sind kleiner besetzt bis hin zum 4. Teil, der kammermusikalischen Charakter hat. Neben einer zyklischen Aufführung aller sieben Teile kann jeder Einzelteil für sich aufgeführt werden. Es handelt sich um in sich geschlossene Kompositionen.
Bei den Texten handelt es sich um Fragmente aus verschiedenen Übersetzungen und Nachdichtungen des Hohenliedes, die ich für diese, Komposition zusammengestellt habe. Teilweise werden diese Texte nur bruchstückweise verwendet oder sogar in Phoneme aufgelöst. Eine Textverständlichkeit in jedem Moment ist weder möglich noch erwünscht; vielmehr treten einzelne Begriffe oder Textabschnitte aus dem Klangbild hervor, um sich bald wieder in reinen Klang aufzulösen. Sie wirken als assoziationsauslösende Bilder, die. sich athmosphärisch in die Musik integrieren.
Im 'Gesang der Nacht' teilt sich das Ensemble in zwei Gruppen, die sich im Sinne von Vordergrund und Hintergrund gegenüberstehen. Im Vordergrund (dies wird auch durch die räumliche Anordnung verdeutlicht) befinden sich die vier Instrumentalsolisten. Der Hintergrund wird durch die Sopranistin und das Streichseptett gebildet.
Der Sopran und die vier, Solisten entwickeln als Individuen ihre eigenen musikalischen Gedanken, die im Sinne eines Kreisens in veränderter Form immer wiederkehren. Trotz dieser Unabhängigkeit gibt es immer wieder individuellen Kreise berühren und die musikalischen Linien aufeinander reagieren oder zur, Gemeinsamkeit finden, um sich bald wieder zu trennen und auf den eigenen Weg zu besinnen.
Das Streichseptett bildet zu diesen Prozessen eine Art 'Echoraum', der die Gedanken der Solisten in der Gleichzeitigkeit oder zeitlich versetzt reflektiert. So erhalten die Soli entweder eine zusätzliche Dimension im Moment ihres Erklingens oder sie werden als Erinnerung bzw. Vorahnung zeitversetzt gespiegelt.
(Gerhard Müller-Hornbach)