Siegfried Matthus (1934–2021) Hyperion-Fragmente
[B,Orch] 1979 Dauer: 25' Text: Friedrich Hölderlin
Solo: B – 3.3.3.3 – 2.4.3.1. – Pk.Schl – Hfe – Str
UA: Berlin, 23. Februar 1980
Zu einer kritischen politischen Bilanz hatte Matthus schon früher den Dichter Friedrich Hölderlin herangezogen, als er 1979 für Theo Adam und das Berliner Sinfonie-Orchester seine „Hyperion-Fragmente“ komponierte. Zwar folgen die acht Gesänge der Tradition des Orchesterliedes, aber der Fall liegt doch ein wenig anders, weil zum einen statt Lyrik nun Prosa, statt schöngeistiger Idylle ein politisches Bekenntnis vertont wird – und dies andererseits nicht in der Art eines lockeren Liederkranzes, sondern in Form aufeinander bezogener, quasi sinfonisch verwobener Monologe im Stil emphatischer, appellativer Deklamation. Matthus befragt die Tragfähigkeit klassischer Utopien für seine Situation in einem Land, das deren Erfüllung desto schamloser anpries, je deprimierender sich ihr Verrat offenbarte. Die Texte können, so schön sie auch klingen mögen, kaum als rein literarisches Denkmal missverstanden werden, denn sie „sprechen“, musikalisch akzentuiert und aktualisiert, über krasse Widersprüche des deutschen Lebens so dicht und klar, wie es treffender, betroffener machend kein moderner Dichter vermöchte. Matthus verschafft Hölderlins Worten einen respektvollen Rahmen und eine verständliche Stimme, die das Orchester meist zurückhaltend kommentiert, ohne stellenweise auf expressiven Überdruck und sogar üppige Klangentfaltung zu verzichten. Und es kommt auch vor, dass die Dissonanzen der Texte in musikalischem Wohlklang aufgefangen werden – vielleicht um allzu schmerzliche Wahrheiten durch den Balsam schöner Töne zu lindern.
(Frank Schneider, 1991)
CD/LP:
Theo Adam, Orchester der Komischen Oper Berlin, Ltg. Rolf Reuter
CD Magna AV 2100 238
Theo Adam, Orchester der Komischen Oper Berlin, Ltg. Rolf Reuter
LP NOVA 8 85 276
1. Ich habe nichts, wovon ich sagen möchte |
2. O einst, ihr finstern Brüder! |
3. Es gibt ein Vergessen alles Daseins |
4. Ich war einst glücklich, Bellarmin! |
5. Da gehen wir heiter in den Kampf |
6. So kam ich unter die Deutschen |
7. Lieber, was wäre das Leben ohne Hoffnung? |
8. O Seele! Seele! Schönheit der Welt! |