Siegfried Matthus (1934–2021) Die Windsbraut
[Orch] 1985 Dauer: 22'
3(Picc.AFl).2.Eh.2.B-Klar.2.Kfg. – 4.3.3.1. – Pk.Schl(2) – Hfe – Str
UA: München, 6. Juni 1986
Die Idee für die Komposition der Windsbraut entstand bei meiner ersten Begegnung mit dem gleichnamigen Bild von Max Ernst. Dieses surrealistische Fabelwesen faszinierte mich durch seine Dynamik und durch seine Expressivität - es sprang mich förmlich an.
Die Gestalt der Windsbraut ist heidnischen Ursprungs. Sie symbolisiert den ewigen Kreislauf der Natur : Das Werden und das notwendige Vergehen, Liebe und Tod, naturhafte Erotik, kraftvolle Inbesitznahme alles Lebendigen und Gesunden, das Hinwegblasen alles Fauligen und Kranken, Raum schaffen für neues Atmen und neues Leben.
Der Komposition liegt eine neuntönige Tonleiterskala zu Grunde, von der die thematischen und harmonischen Elemente abgeleitet sind.
Das Intervall der Quinte spielt eine dominierende Rolle und hat über die kompositionstechnische Seite hinaus auch eine ästhetisch-inhaltliche Bedeutung.
Für die Komposition gibt es aber auch noch eine andere Deutung: Sie ist ebenfalls ein Kurt Masur - Porträt. Als Dank für eine langjährige schöpferische Freundschaft habe ich ihm dieses Stück gewidmet.
Ich liebe und bewundere an Kurt Masur seine unbändige Kraft, gepaart mit höchster Sensibilität und unerbittlicher Energie, seine gradlinige Beharrlichkeit in der Verfolgung und Erreichung seiner Ziele, seine unerschütterliche Treue seinen künstlerischen Überzeugungen und seinen Freunden gegenüber.
So unterschiedlich diese beiden Deutungen auch in ihrer verbalen Interpretation sind - in ihren affektiven Grundsituationen sind sie völlig identisch. Das Verbale kann Musik nicht leisten, das Affektive ist ihr ureigenstes Gebiet.
Berlin, den 6.Dezember 1985
CD:
Berliner Sinfonieorchester, Ltg. Siegfried Matthus
Musik in Deutschland 1950-2000
CD RCA 74321 73612 2