Nicolaus A. Huber (*1939) Modell im Rückspiegel
[Orch] 1998 Dauer: 14'30"
2(Picc)2.2(Kfg) – 4.2.2.1. – Pk.Schl(3) – Hfe – Klav/Cel – Str
UA: Mannheim, 29. März 1999
Modell im Rückspiegel braucht zunächst einmal ein MODELL. Dieses ist ganz einfach: x < y > x bzw. x < y und y > x oder y < x > y. Die beiden Größen x und y können dabei allerdings nicht nur als Lautstärken gelesen werden, sondern auch als (instrumentale) Farbgrade, als Dichtestadien, Spielweisen, Frequenzbereiche usw. Verfestigt sich dieses plastische Modell zu charakteristischen Ereignissen oder gar zu Strukturen, besetzen sie eindeutige Punkte oder Orte im musikalischen Formverlauf. Zeit kommt so ins vergleichende Spiel!
Der RÜCKSPIEGEL wiederum belässt das Auge (Ohr) in seiner Blick-(Hör-)Richtung, holt dabei aber einen zurückliegenden „späteren“ Gegenstand nach vorne, verdoppelt sozusagen seine Wirklichkeit auf eigenartige Weise und lässt auf diese erkennende Beobachtung Reaktion zu, ein Sich-dazwischen-Schieben oder bloßes Dazwischen-Sein des Ichs. Der Rückspiegel ist selbst ein Zeitmodell.
Darin liegt für mich die Hauptemotionalität dieses Orchesterstückes, auch in Bezug auf mögliche historische Ausdrucksgehalte eines solchen Modells.
Das Mannheimer Crescendo galt als „rauschend“. Die Mannheimer Dynamik insgesamt war eine der ersten Emanzipationen der Lautstärken vom doch noch weitgehend üblichen Daherkommen ihrer Träger, der Tonhöhen. Mein Stück ist eine Hommage aufs Erspüren von Verfestigung und Entäußerung, Bilden - Auflösen - Weiterbilden. Übrigens: Auch die kleine Trommel, die sich im ersten meiner 3 Orchesterstücke von 1991 „verabschiedet“ hatte, kehrt hier wieder zurück - - - in welchem Rückspiegel??
(Nicolaus A. Huber, 22. November 1998)
Bibliografie:
Ehrler, Hanno: „… ein bißchen minipolitisch …“. Zu einigen jüngeren Kompositionen von Nicolaus A. Huber, in: MusikTexte Heft 108 (Februar 2006), S. 38-41.