Nicolaus A. Huber (*1939) Herbstfestival
[4Schl] 1989 Dauer: 19'
Uraufführung: Freiburg, 25. Oktober 1989
30 Seiten | 28 x 36 cm | 215 g | ISMN: 979-0-004-50181-8 | Mappe
..., und selten lärmet
Der Schall durchs offne Feld, ...
..., die Lüfte wehen
Die Zweig und Äste durch ...
(Friedrich Hölderlin: Der Herbst)
Eine insistierende herbstliche Klanglandschaft, Ausgangspunkt für „Herbstfestival“. Es war schwer, in die rhythmischen Verwebungen der äußerst leisen Ereignisse einzudringen, vor allem eines davon als „Anfang“ zu bestimmen. Ich versuchte mit der Stoppuhr künstliche Zeitausschnitte zu markieren, um die enthaltene Polyphonie besser studieren zu können. Aber Struktur und Erlebnisart dieser Herbstklänge deckten sich überhaupt nicht mit meinen kompositorischen Wiedergabebedürfnissen. Die auf mich zukommende Klangnatur mußte in eine Musiklandschaft von Fellen, Hölzern, Metallen und klangerzeugenden Bewegungen transformiert werden.
Das Stück ist wie ein Gedicht in Zeilen aufgegliedert. Die Zeilenketten sind so angelegt, dass trotz logischer Folge der Farbsets sozusagen ins Unübersichtliche gezählt wird. Aufgrund der Nichtproportionalität von Zeilenlänge und Ereignisdichte pro Zeile entsteht aus der sich steigernden Pressung eine polyphone Ineinanderschiebung, die sich auf ihrem Höhepunkt zugleich aus Poly- in Monochromie gewandelt hat. Aus solcher Fluidität wächst die neunzehnminütige Crescendostruktur der Komposition. Sie läßt Entfernung in eigenartig erlebbare Musik-Nähe umschlagen. Die Komposition verzichtet auf aufrüttelnde Reklame für ihre Klangereignisse. Sie braucht offenes, entspannt-aufmerksames, zulassendes Hören.
Die Sagen, die der Erde sich entfernen,
Vom Geiste, der gewesen ist und wiederkehret,
Sie kehren zu den Menschen sich, und vieles lernen
Wir aus der Zeit, die eilends sich verzehret.
(Friedrich Hölderlin: Der Herbst)
(Nicolaus A. Huber, 1989)
CDs:
Schlagquartett Köln
CD BV HAAST 9407
Schlagquartett Köln
Polmic 023 CD No.5
Bibliografie:
Huber, Nicolaus A.: „Die Zeit ist buchstabengenau und allbarmherzig“. Zu Hölderlin in meinen Kompositionen, in: Dissonanz, Heft 76, August 2002, S. 4-13, und Heft 77, Oktober 2002, S. 4-15.
„Le temps est littéral et miséricordieux“. La place de Friedrich Hölderlin dans mes compositions, in: Dissonance, Heft 76, August 2002, S. 4-13, und Heft 77, Oktober 2002, S. 4-1.
ders.: THIRTY ARE BETTER THAN ONE (A. Warhol), in: Neue Musik und andere Künste, hrsg. von Jörn Peter Hiekel (= Veröffentlichungen des Instituts für Neue Musik und Musikerziehung Darmstadt, Band 50), Mainz u.a.: Schott 2010, S. 220-235.
Reinhold, Steffen: Herbstmusik. Wie die Natur durch die Musik spricht, in: Musik & Bildung 48 (2016), Heft 3, S. 50-55.