Nicolaus A. Huber (*1939) Beds and Brackets
[Klav] 1990 Dauer: 17'
für Klavier mit zu öffnenden Türen und Fenstern oder Zuspielung
Uraufführung: München, 30. Januar 1991
Der Pianistin Catherine Vickers gewidmet
Die Zuspielung finden Sie unter Downloads.
16 Seiten | 23 x 30,5 cm | 89 g | ISMN: 979-0-004-17950-5 | geheftet
In Beds and Brackets gibt es ein Stück im Stück: Statement zu einem Faustschlag Nonos.
Kurz vor seinem Tod war ich mit Nono zusammen in einer Kompositionswettbewerbs-Jury. Während dieser Tage schlug er manchmal mit der Faust schwere, massige Rhythmen elementarster Proportion auf den Tisch. Vierfaches Forte. Diese Befreiungsschläge hafteten die ganze Zeit während der Arbeit an Statement in meinem Gedächtnis. Sie waren ganz aus dem Nahbereich des Machens und Wahrnehmens geboren.
Solcher Nahbereich menschlicher Sinnenwelt ist auch musikalisches Ausführungs- und Hörmodell des übrigen Stückes. Die jeweiligen Töne werden aus der 88-tastigen Klaviatur aufgrund von Bewegungsentwürfen abgerufen, deren Streckenmaße und Geschwindigkeiten, multipliziert mit den jeweils zu bewegenden Organ(gewicht)en, Ton und Harmonik charakterisieren.
Der horizontale, zeitliche Verlauf des Stückes verwirrt zeitweise die Nahbereichswahrnehmung durch Wiederholung. In der Partitur zeigen numerierte Klammern das jeweilige Notentextfragment an, das an einer anderen Stelle in den musikalischen Verlauf eingeschoben werden soll, und zwar so, als würde es zum ersten Mal erklingen. Es geht also nicht um psychisch-dynamische Weiterspinnung, sondern um eine live simulierte Wiederholung von Vergangenem, als wäre es gar nicht vergangen. Derartige horizontale Bewegungsentwürfe betonen an Wiederholung eher das Fremde, Sprengende, nicht das Zusammenhangschaffende.
Gegen Ende argumentiert der körperliche Nahbereich, schlägt um in „Umgebung“: Läuft da nicht ein Radio, ein Fernseher, ein Kühlschrank? Geht da nicht ein Wind draußen? Fährt nicht ein Auto? Spielen da nicht Kinder?
Tonbänder sind nur eine schwache Simulation! Im Optimalfall sollen Fenster und Türen des Konzertsaales geöffnet und wieder geschlossen werden.
(Nicolaus A. Huber, 1990)
CDs:
Kristine Scholz
CD Alice musicproduction ALCD 011
Catherine Vickers
CD col legno AU 31821
CD Koch Aulos 3-1817-2
Bibliografie:
Seidl, Hannes: Wie weit können wir gehen? Reichweiten in den Kompositionen Nicolaus A. Hubers, in: Nicolaus A. Huber, hrsg. von Ulrich Tadday (=Musik-Konzepte. Neue Folge 168/169), München: edition text + kritik 2015, S. 44-63.
Schat, Peter W.: Didaktische Brücken. Ein Kommmentar zu Nicolaus A. Hubers "Beds and Brackets", Musik & Bildung 5/1995, S. 49-51.