Jörg Herchet (*1943) nicht haftend. komposition für orchester
[Orch] 1998 Dauer: 13'
2.A-Fl.Ehn.3.B-Klar.2.Kfg – 4.3.3.1. – Schl(3) – Hfe – Str 12.10.8.6.5
UA: Freiburg, 1. März 1999
der titel verweist auf die art, wie sich die musikalischen strukturen entfalten, und auf die form. - die verschiedenen strukturen werden nicht als kontraste gegeneinander-gesetzt und verarbeitet; sie werden auch nicht gereiht - durch wiederkehr mehr oder weniger beziehungen bildend -, vielmehr verwandeln sie sich in steten übergängen, so dass keine der strukturen je in einem augenblick ihre eigenheit ganz entfalten kann: schon ist der augenblick vorüber und ein anderes deutet sich an und baut sich in anverwandlung an vorheriges auf: so kristallisiert sich aus dem ungeklärten anfang der einzelne ton, entfächert sich über den oktavklang hin zum akkord, zur fläche, zum cluster, aus dem sich wiederum ein einzelton löst - aber dieses mal als variabler klang; aus ihm blüht melos auf, verzweigt und wandelt sich über geräuschen zum metrischen unisono, um sich über pulsierendem schlagwerk, über die nur zart angedeuteten tongestalten der solovioline in die stille zu verlieren.
kein ziel, kein höhepunkt: wandlung (eine bewegung, die ihr ziel stets in sich hat). so könnten sich auch assoziationen, religiöse, einstellen.
vor allem aber ist „nicht haftend“ das erste von mehreren orchesterstücken, die zeiterfahrungen gestalten: da die strukturen nicht wiederkehren, sondern - eingebettet in ein kontinuum - in steter verwandlung begriffen sind, kann das erinnerungsvermögen ebensowenig bezugspunkte setzen wie das die zukunft erfassende vermögen der erwartung. so bleibt nur die hingabe an die den augenblick übergreifende verwandlung.
(Jörg Herchet)
CD:
Philharmonisches Orchester Freiburg, Ltg. Johannes Fritzsch
CD BMG/RCA 74231 73519 2 (Musik in Deutschland 1950-2000)