Jörg Herchet (*1943) nachtwache
Komposition für das Musiktheater 1986/87 Text: Nelly Sachs
22 Solisten Spr – Chor: SATB – 2.2.3.Sax.2. – 3.1.2.0. – Schl(5) – Hfe – KlavCel – Str / Bühnenmusik: A-Fl.Fg.Sax.Schl.Hfe.Vl
AD: abendfüllend
Libretto: Nelly Sachs' gleichnamige Erzählung (Alptraum in neun Bildern)
Ort und Zeit: Zeit und Land der Aufführung
UA: Leipzig, Leipziger Opernfestspiele, 25. Juni 1993
Personen: Heinz (Tenor) – Peter (Bariton) – Rosalie, Tochter des Schmieds (Alt) – Anila (Sopran) – Der Schmied (Bass) – Ein Portier, auch Pikbube (Bass) – Eine Krankenschwester, auch eine Alte (Sopran) – Ein Arzt, auch ein Schornsteinfeger (Bariton) – Fischfrau (Sopran) – Herzbube, auch ein Blinder (Tenor) – Ein Knabe (Knabenstimme) – Lehrersfrau (Mezzosopran) – Ein Henker (Bass) – 6 Studenten (Sopran, Mezzosopran, Alt, Tenor, Bariton, Bass) – Ein Häscher (Sprechrolle)
Heinz und Peter, beide verwundet und auf der Flucht, liegen zwischen Erschossenen in einer Winternacht im Wald. Peter, am Ende seiner Kräfte, klammert sich in Gedanken an seine Geliebte Anila, die er unter den Toten glaubt. Er bittet seinen Freund um Hilfe, der jedoch kopflos flieht und ihn im Stich läßt. Heinz findet in einem Kuhstall Zuflucht, wo ihn Rosalie pflegt. Der Schmied arbeitet unterdessen an einem Gitter, das alle Fliehenden aufspießen soll. Heinz wird von seinem schlechten Gewissen und Alpträumen geplagt. Selbst Rosalie kann ihn mit ihrer Liebe nicht beruhigen. Ein weiteres Bild zeigt eine Art Marionettenspiel, indem ein Häscher – Heinz' Spiegelbild – die Menge beherrscht. Alle denunzieren Heinz als Schuldigen, er erkennt dies endlich an und weiß um das Versäumnis, einem Bedürftigen nicht geholfen zu haben. Schließlich klettert er die fertiggestellte Gittertür hinauf und spießt sich an den Zacken auf, wo er verblutet.
Die Musik schafft auf ihre Weise – nämlich vorwiegend strukturell – am Geschehen mit: Es kommt zu klaren Gliederungen und Kontrastierungen, aber auch zu Parallelisierungen durch Instrumentengruppierungen. Solistisches Musizieren und Tuttipassagen werden so zueinander in Beziehung gesetzt, daß sich darin das Verhältnis von Einzelnem, Welt und Universum, spiegelt. Das betrifft auch den Charakter der Spielanweisungen: solistisches Musizieren mit klar konturierter Phrasierung und Tuttipassagen mit geräuschhaften Gebärden.
(Sigrid Neef, in: „Deutsche Oper im 20. Jahrhundert: DDR 1949-1989“)
Die Uraufführung der Nachtwache war ursprünglich in der Inszenierung von Ruth Berghaus für 1990 an der Dresdner Semperoper vorgesehen, im Frühjahr 1990 jedoch überraschend abgesetzt worden.
Bibliografie:
Neef, Sigrid und Hermann: Jörg Herchet - Nachtwache, in: Deutsche Oper im 20. Jahrhundert (DDR 1949-89), S. 226-230
Herchet, Jörg: „was ich suche ist das, was aus unmittelbarem erleben hervorbricht“. Briefe an Antje Kaiser, in: „die töne haben mich geblendet“. Festschrift zum 60. Geburtstag des Komponisten Jörg Herchet, hrsg. von Christoph Sramek, Altenburg: Kamprad 2003, S. 145-165
ders.: Begegnung mit Ruth Berghaus, in: „im lichtstrom versunken nun sonnenhaft“. Dokumente zum Schaffen des Dresdner Komponisten Jörg Herchet, hrsg. von Christoph Sramek, Altenburg: Kamprad 2013, S. 282–287
Kaiser, Antje: Dokumente zur Oper „Nachtwache“ von Jörg Herchet, (Ost-)Berlin 1987
dies.: Jörg Herchet „Nachtwache“. Komposition für das Musiktheater, in: Positionen 5 (1990), Heft 5, S. 17f
dies.: Zum Entstehen des Briefwechsels mit Jörg Herchet während der Arbeit an seiner Oper „nachtwache“, in: „die töne haben mich geblendet“. Festschrift zum 60. Geburtstag des Komponisten Jörg Herchet, hrsg. von Christoph Sramek, Altenburg: Kamprad 2003, S. 142-144
Schröder, Mario: „Eine außergewöhnlich farbige, expressiv kraftvolle, aber auch sperrige und gleichzeitig meditativ einfühlsame Musik“. Meine Choreographie zur Oper „nachtwache“, in: „die töne haben mich geblendet“. Festschrift zum 60. Geburtstag des Komponisten Jörg Herchet, hrsg. von Christoph Sramek, Altenburg: Kamprad 2003, S. 166