Musik aus alter Zeit
bearbeitet von Helmut Reinbothe
Nachdem Sie die gewünschten Ausgaben in den Warenkorb gelegt haben, können Sie dort die benötigte Stückzahl bei Bedarf noch anpassen.
Zur Entstehung arteigener Originalliteratur für jedes Musikinstrument sind mehrere Voraussetzungen notwendig: das neue Instrument muß spieltechnisch relativ ausgereift sein; Interpreten, die hohen künstlerischen Ansprüchen genügen, sind erforderlich; dem Neuen gegenüber aufgeschlossene Komponisten müssen die typischen Klangmöglichkeiten dieses Instrumentes erkennen und für ihr Schaffen zu nutzen verstehen.
Oft liegen die Wurzeln der Literatur – und da macht das Akkordeon keine Ausnahme – in der Folklore, oder man sucht mehr oder weniger erfolgreich Wege in die professionelle Musik, die sich aber nicht immer als ästhetisch vertretbar erweisen, bis es zur Herausbildung eben jener eigenständigen „Originalliteratur“ kommen kann.
So mußte auch das Akkordeon mehr als 100 Jahre warten, bis ihm durch Hugo Herrmanns „Sieben neue Spielmusiken“ 1927 der Weg in den Konzertsaal geöffnet wurde. Im folgenden Zeitraum schrieben die Komponisten in aller Welt eine unterdessen schier unübersehbar gewordene Zahl von Solo und Kammermusikwerken, führten das Akkordeon in die Sinfonik und die Oper ein. Dabei versteht es sich von selbst, daß die Tonsprache der Gegenwart dominiert.
Will der Pädagoge seinen Akkordeonschülern jedoch eine musikalisch umfassende Allgemeinbildung vermitteln, ist er auf Transkriptionen, wie sie für die Instrumente in allen Epochen der Musikgeschichte nachweisbar sind, angewiesen. Gerade die aktive Beschäftigung mit der Musik der letzten Jahrhunderte zeigt, wie sich ein Entwicklungsprozeß in Europa vollzog, der z. B. das harmonische Klangempfinden der Wiener Klassik aus Ansätzen allmählich vorbereitete, zur Blüte brachte und wieder auflöste. Harmoniefolgen aus der Zeit vor Johann Sebastian Bach können uns heute ebenso fremd berühren wie solche, die Komponisten unseres Jahrhunderts aufzeichneten. Wir erkennen, daß alle entstandenen Werte aus der Sicht formaler, polyphoner oder harmonischer Betrachtungsweise gewissermaßen nur Durchgangsstation, Anregung für weitere Entwicklungen sein können.
Die vorliegende Sammlung möchte dem Akkordeonschüler eine musikhistorische Orientierung geben, welche sich auf die Bereiche beschränkt, die dem Akkordeon besonders entgegenkommen. Im Interesse der Vielfalt wurden kleine Formen bevorzugt, die typische Klangelemente ihrer Zeit enthalten. Meistens entstammen sie der sogenannten Gebrauchsmusik, welche sich ohnehin nicht an starre Besetzungsformen hielt und mehr oder weniger Bestandteil unterhaltender Musik war.
Um einen möglichst anschaulichen Überblick zu geben, wurden die Kompositionen chronologisch geordnet. Unvermeidbar war die deutliche Lücke aus der Zeit nach der Wiener Klassik. In den Werken aus dieser Zeit findet sich fast immer eine sehr starke klangliche Fixierung auf eine vom Komponisten bestimmte Instrumentation, welche eine Bearbeitung für Akkordeon als ästhetisch nicht vertretbar erscheinen läßt. Trotz dieser Einschränkung kann dieser Band praktisch als „Musikgeschichte für den Akkordeonisten“ bis zum Beginn der Originalliteratur für Akkordeon angesehen werden.
Fast alle Stücke sind auf dem Standardbaß-Akkordeon ausführbar und von geringem Schwierigkeitsgrad. Nur wenige benötigen für ihre Interpretation ein Instrument mit sogenannten Baritonbässen (Melodiebaß-Manual). Solche sind dem professionell-interessierten Spieler vorbehalten, sollen dem konzertierenden Solisten Anregung zur selbständigen Literaturauswahl nach Originalvorlagen geben, wie sie sich in den Kompositionen für Orgel, Cembalo oder Klavier finden lassen.
Helmut Reinbothe, Januar 1980