Michael Gielen (1927–2019) Ein Tag tritt hervor
Pentaphonie mit Worten von P. Neruda 1961/63 Dauer: 22' Text: Pablo Neruda
Klav.obl – Soli: Vibr.Marimb.E-Git.Ondes Martenot.Harm – Spr – SATB(solistisch) – Es-. B-. A-. B-. Kb-Klar – Schl(9) – Hfe – Cel – E-Mand – Vl.Va.Vc
UA 1966
Pentaphonie für obligates Klavier, fünf Soloinstrumente und fünf Gruppen von je fünf Musikern mit Worten von Pablo Neruda Die Grundidee des Stückes ist, daß sich Anschlagsorten und Klangfarben des Klaviers verselbständigen und dann in einer Gruppe von je fünf Instrumenten einer Gattung dargestellt werden. Diese Gruppen sind wieder fünf, und zwar: fünf Metallschlagzeuge, fünf Holz- und Fell-Schlagzeuge, fünf verschiedene Klarinetten, fünf menschliche Stimmen und fünf Saiteninstrumente. Je ein Solo-Instrument, das Eigenschaften des Klaviers und je einer dieser Gruppen aufweist, vermittelt zwischen diesen, Zum Beispiel das Vibraphon: Es hat Tasten, aber aus Metall. Die anderen Solo-Instrumente sind: Marimbaphon (- - - Holz), Harmonium (- - - Bläser), Ondes Martenot (- - - Stimmen) und elektrische Gitarre (- - - Saiten). Die Zahl fünf dominiert durch die Reihentechnik (nur fünf Intervalle) und die Rhythmik (durch die Quintole). Der grobe formale Umriß ist das traditionelle A-B-A. In den A-Teilen kommen die Klänge jeder Gruppe homogen je aus einer Richtung. Im B-Teil wechseln mehrere Musiker ihre Position, und es wird in gemischten Gruppen musiziert. Der Klang ist heterogen, nicht mehr richtungsgebunden. Noch eine weitere Bestimmung trennt die A-Teile von B: In den A-Teilen wechseln sich „Strophen“ für die Musiker der- Gruppen mit „Zwischenspielen“ für die Solo-Instrumente ab. In jeder Strophe dominiert eine Fünfer-Gruppe, die anderen „gastieren“. Der B -Teil ist ein Mobile für Klangobjekte, die in immer verschiedener Kombination wiederholt werden. Dieser Teil benutzt nur 6 Tonhöhen pro Oktave. Als ich im Entwerfen so weit war, daß all dieses feststand, suchte ich einen Text für den Sprecher (die Stimmen sind Sopran, Alt, Tenor, Baß und Sprecher). Glücklicherweise fand ich das Gedicht von Neruda (aus „Residencia en la tierra“, entstanden in den dreißiger Jahren), dessen formale Anlage der von mir entworfenen musikalischen Form entsprach. Allerdings habe ich einige Strophen umgestellt und eine weggelassen. Noch dazu handelt das Gedicht vom „Klingenden“. An zwei Stellen setzt sich ein Klang bis zur Dominanz über die anderen durch: zu Anfang der Reprise von A das Flüstern, der raschelnde zischende, Obertonarme Klang; und am Ende des Stücks der Klang der Triangeln, ein hohes Band gleißenden Klang-Lichts. Auf dem Höhepunkt des Mittelteils kommen in Nerudas Gedicht die Worte „cáscaras del silencio“, d. h. „Schalen der Stille“ vor. Das bedeutet, daß das Kontinuum, das uns umgibt, die Stille ist, die „Schalen“ der Musik. Eine poetische Verneinung der Außenwelt. Im 4. Zwischenspiel singt der Sopran: Ans Klingende wendet die Seele sich und feiert ihre eiligen Hochzeiten und stürzt sich hinein. (Michael Gielen)
CD
Sinfonieorchester des Südwestfunks Baden-Baden
Ltg. Michael Gielen
Saphir LC 4226 - INT 830.871