Im Sommer 1989 weilte ich für zwei Monate in dem berühmten Tanglewood in den USA, dem Ort, wo u. a. Sergej Kussewitzky, Aaron Copland und Leonard Bernstein gewirkt hatten. Ich erhielt dort das „Leonard Bernstein Stipendium“ und hatte die Möglichkeit, mit Musikern wie Lukas Foss (Komponist und Dirigent, Studienfreund von Bernstein; beide waren 1940 die ersten Dirigierstipendiaten in Tanglewood) und Louis Krasner (der das Violinkonzert von Alban Berg in Auftrag gab, uraufführte und auch die Uraufführung von Schönbergs Violinkonzert spielte) zu arbeiten und zu studieren. Diese Zeit und natürlich auch die Begegnung mit Bernstein selbst haben sehr tiefe Eindrücke bei mir hinterlassen.
In der Gewandhaussaison 1987/88 wurde meine Chagall-Musik vom Gewandhausorchester unter der Leitung von Kurt Masur uraufgeführt. Nach der Premiere erhielt ich von Kurt Masur den Auftrag für eine neue Orchesterkomposition. Zwischen 1990 und 1993 schrieb ich Music for Trumpet, Harp, Violin and Orchestra. Aus Dankbarkeit für den unvergeßlichen Aufenthalt in Tanglewood und aus Trauer um Bernsteins Tod habe ich meine Komposition diesem unglaublichen und prägenden Musiker gewidmet. Die Widmung findet Eingang in die strukturellen Details der Partitur. Ton¬symbole, abgeleitet aus Bernsteins Namen, werden verwendet.
Music for Trumpet, Harp, Violin and Orchestra ist andererseits die Fortsetzung meiner Chagall-Musik, das nächste Kapitel eines mehrteiligen „Buches“. Aus diesen Überlegungen heraus resultiert auch die Verwendung der drei Soloinstrumente, der Trompete, der Harfe und der Violine. Die Arbeit an diesem Werk und die Uraufführung im Gewandhaus bedeuten für mich Herausforderung und Auszeichnung zugleich, ein wichtiger Schritt in meiner künstlerischen Entwicklung.
(Bernd Franke)