Bernd Franke (*1959) Mottke der Dieb
Oper in 2 Akten 1995-97 Dauer: 100' Text: Jonathan Moore
Soli: 11. – 1(Picc.A-Fl.Blfl).1(Eh).1(Klar[Es].B-Klar).S-Sax(T-Sax)1. – 1.1(Flügelhorn).1.1. – Pk.Schl(4) – Hfe.BGit.EGit – 2 Klav(Synth).Bandoneon – Str: 1.1.1.1.1. – Tb
Uraufführung: Bonn, Forum der Kunst- und Ausstellungshalle der BRD, 20. Juni 1998
Libretto: Jonathan Moore, frei nach Motiven des gleichnamigen Romans von Sholem Asch
Übersetzung: engl. (J. Moore)
Ort und Zeit: Im Zirkus, in einem Café in der Großstadt, um 1900
Personen: Mottke (Bariton) - Marie, eine Artistin (Sopran) - Kanarik, ein Ringkämpfer, auch Zuhälter (Tenor) - Zirkusdirektor (Sprechrolle zugleich Bassbariton) - Mottkes Mutter, auch Artistin 5 und Wirtin (Alt) - Grosser Clown, auch WIRT (Bass) - Artistin 1, auch Chanele, Tochter der Wirtsleute (Sopran) - Artistinnen 2-4, auch Huren 1-3 (Sopran, Mezzosopran, Alt) - Kleiner Clown, Zirkusarbeiter usw. (stumme Rollen)
Mottke der Dieb entstand als Auftragswerk der Münchener Biennale und der Landeshauptstadt München. Das Libretto schrieb der englische Autor, Regisseur und Schauspieler Jonathan Moore, der auch für die Inszenierung der Uraufführung verantwortlich ist.
Die Vorlage des jiddischen Autors Schalom Asch (1880-1957) steht in der Tradition des europäischen Schelmenromans und schildert Stationen eines Außenseiters, der an seinem sozialen Umfeld und seiner Unfähigkeit, sich diesen Gegebenheiten anzupassen, zerbricht.
Der erste Akt führt ein in eine zirzensische, schillernde Welt voller Brutalität, Erotik und Ironie. In diesem Milieu findet der Dieb Mottke auf seiner Flucht Unterschlupf. Hier wird er aus Liebe zu Marie zum Rächer und zum Mörder an Kanarik. - Der zweite Teil ist das Zerrbild dieser Groteske. Mottke lebt, abgetaucht in die Unterwelt einer Großstadt, in der Identität des Ermordeten und wird schließlich selbst vom Täter zum Opfer. Eine Flucht vor sich selbst ist nicht mehr möglich.
Mottke der Dieb ist - in Analogie zu meinem „Solo xfach"-Projekt - eine überdimensionierte Klangskulptur, die aus Extremen besteht: blitzschnelles Umkippen differenzierter Klangschichten in geräuschhaft-archaische Strukturen (die Hauptinstrumente Bandoneon, E-Gitarre und ein elektrisch verstärkter Käfig verdeutlichen in besonderem Maße diese Strukturwandlungen), der Gegensatz von Schrei und Stille, rasante „Schnitte" und Tempowechsel, offene und geschlossene Formen (u. a. zwei Rituelle Kompositionen), Ordnung und Anarchie, schwarzer Humor und Tragik, Banales und Elitäres, Verfremdetes und Überhöhtes - all das wird ganz bewußt gegeneinander gestellt.
Bernd Franke (Februar 1998)