Friedhelm Döhl (1936–2018) Wenn aber
9 Fragmente nach Hölderlin [Bar,Klav] 1969 Dauer: 29'
Uraufführung: Köln, 1971
52 Seiten | 23 x 30,5 cm | 213 g | ISMN: 979-0-004-12081-1 | geheftet
Fragmente – nicht „Lieder“ im üblichen Sinn. Fragmente, zugleich „Labyrinthe“, existenziell wie ästhetisch: Doppelbödigkeit von Musik und Sprache. Texte des mittleren Hölderlin, als diesem die Welt aufbrach, als er in ihren Rissen und Trümmern herumtastete, die verschiedenen Zeiten und Räume durcheinander bringend, aufeinander beziehend (so besonders exponiert in dem ersten Fragment „Tende Strömfeld“, das Hölderlin auf die Rückseite einer Wäscherechnung notierte). – Ein auslösender Moment der Komposition war die Vorstellung des Hölderlinschen Gesangs, wie ihn Wilhelm Waiblinger beschrieb: Hat er eine Zeitlang (auf dem Klavier) gespielt und ist seine Seele ganz weich geworden, so fällt plötzlich sein Auge zu, sein Haupt richtet sich empor, er scheint vergehen zu wollen, und er beginnt zu singen. In welcher Sprache, das konnte ich nie erfahren, so oft ich es auch hörte; aber er tat es mit überschwänglichem Pathos, und es schauderte einem in allen Nerven, ihn so zu sehen und zu hören. Schwermut und Trauer waren der Geist seines Gesanges.
Formal sind die Fragmente zum Teil reduzierbar auf die musikalischen Prinzipien Fantasia, Canto, Ornamento, Rondo, Recitativo. Inhaltlich ist der Zyklus eine Art Irrfahrt durch die Labyrinthe der Außen- zur Innen-Welt, über die verschiedenen Situationen von Traum, Lust, Sehnsucht, Trotz, Trauer, Verzweiflung bis zur Resignation, schon jenseits der Verzweiflung. Mit gewissem Vorbehalt: eine andere Winterreise.
(Friedhelm Döhl)
CD:
Dietrich Fischer-Dieskau (Bariton), Aribert Reimann (Klavier)
Dreyer-Gaido CD 21023