Johannes Maria Staud (*1974) Epicentre
Seismic Construction in 3 Parts [3Schl] 2019/20 Dauer: 16'
Uraufführung: Wien, 17. Oktober 2020
Auftragswerk von KölnMusik GmbH als Teil des Non Beethoven Projekts der Kölner Philharmonie für das Jahr 2020, Wiener Konzerthaus und Martin Grubinger / Percussive Planet
52 Seiten | 27 x 36 cm | 294 g | ISMN: 979-0-004-18850-7 | geheftet
„Trau er nur dem hölzernen Freund nicht. Er ist manchmal ein lederner“
(aus den Beethoven-Konversationsheften)
Dieses Schlagzeugtrio, das in enger Zusammenarbeit mit den Widmungsträgern entstanden ist, besteht aus drei Teilen. Es wird durch die schiere Freude am dramaturgisch gebündelten Konstruieren entlang seismischer Bruchlinien geprägt. Die drei Percussion-Spieler wechseln während des Werkes zwischen drei Setups an verschiedenen Spielpositionen – vom Bühnenhintergrund, über die Mitte der Bühne bis vorne an der Bühnenrampe. Dabei wird jeweils ein anderes Klangmaterial, im ersten Teil (Part I) das Fell, im zweiten Teil (Part II) das Metall und im dritten Teil (Part III) das Holz in den Mittelpunkt gestellt. Part I (5‘30‘‘) ist mit drei O-Daikos besetzt, die mit Fingern, Händen, Fäusten, Superballs und Holzstäben gespielt werden. Part II (6‘00‘‘) ist um drei Glockenspiele, drei Vibraphone und drei Sixxen gruppiert und integriert auch Metallinstrumente wie Chinese Opera Gongs, Mini-Tam-Tams und Metalltonnen, die mit Fußmaschine gespielt werden. In Part III (4‘00‘‘) spielen alle drei Musiker mit Rundstäben, Händen und Röhrenglockenhämmern das mit sieben massiven Balken aus Eschenholz besetzte baskische Nationalinstrument Txalaparta, das auch seine ganz eigene Geschichte im Widerstand gegen die Franco-Diktatur hat. Reizvoll war für mich sowohl, dass man zu dritt auf diesem archaischen Instrument wirklich aberwitzig schnelle Rhythmen spielen kann, als auch, dass dieses Instrument auf Konzertpodien klanglich wie optisch noch völlig neu ist – und dies, trotz aller Schlichtheit, bei einem unglaublichen Reichtum an Klangmöglichkeiten. Kleine rhythmische Zellen, die sich immer wieder zu vielfältigen neuen Texturen - bis zur klanglichen Entfesselung - zusammenballen und eine feine Differenzierung und Dynamisierung der Anschlagsmöglichkeiten bestimmen dieses Werk. Auch, wenn nur Part II durch den Einsatz bestimmter Tonhöhen geprägt ist (durch die Verwendung der von Yannis Xenakis erfundenen Sixxen durchaus mikrotonal), so gibt es doch unüberhörbar abschnittsübergreifende Kontinuitäten in Rhythmik und Motivik, die das ganze Werk bestimmen und es dabei wie feine seismische Adern durchziehen.
(Johannes Maria Staud, 2020)