Misato Mochizuki (*1969) Ordo ab chao
[Schl,Orch] 2019 Dauer: 23'
Solo: Schl – 2(A-Fl).2.2(B-Klar).2(Kfg) – 4.2.2.1 – Schl(4) – Hfe – Klav – Str: 12.12.10.8.6
Uraufführung: Tokio/Japan, Suntory Hall, 28. November 2019
Auftragswerk der Suntory Hall Tokyo
Seit einigen Jahren schon interessiert mich der Hang zur Gewalt, der dem Menschen innewohnt.
Warum hört der Krieg trotz unzähliger Tragödien nie auf?
Gewalt ist schlimm, und dennoch hört sie niemals auf.
Wahrscheinlich weil das Verlangen nach Dominanz, in dem die Gewalt wurzelt, ein biologischer Instinkt ist, notwendig zum Überleben und zur Fortpflanzung.
Selbst ein nur wenige Monate altes Baby wird nach dem größeren Stück Essen greifen. Viele Jungs kämpfen gerne spielerisch, obwohl niemand es ihnen beigebracht hat, und die meisten Spiele und Sportarten basieren auf Kämpfen.
Der Wunsch zu dominieren, Mobbing, Bashing, Schikanen, Diskriminierung, alle Arten von Belästigung, Herabsetzung, Autoritarismus, Eitelkeit, Schadenfreude … all das liegt in der menschlichen Natur und beruht auf dem instinktiven Wunsch zu überleben. Der Mensch weiß, dass Gewalt böse ist, dennoch findet er insgeheim Gefallen daran.
Ich fühle ein ähnliches Element im Klang des Schlagzeugs.
Einerseits können Aktionen wie das Schlagen oder Kratzen mit Händen oder Werkzeugen, die gewaltsam anmuten, Rhythmen hervorbringen, die die Menschen wild vor Erregung machen; andererseits hingegen können Rhythmen und Intonationen, wenn sie überlegt zusammengestellt werden, eine Sprache formen, die zu verschiedenen hoch intellektuellen Ideen führen kann.
Ich habe einmal gehört, dass das menschliche Gehirn von Geburt an über einen „Schaltkreis“ verfügt, der auf Rhythmen reagiert.
Vernunft und Instinkt.
Individuum und Gruppe (Orchester).
Ordnung (Ordo) und Chaos (Chao).
Der Gehirnforschung zufolge ist es ein menschlicher Instinkt, Dominanz auszuüben, indem man die Unterschiede in verschiedenen relativen Elementen überwindet, aber es ist ebenso ein Instinkt, diese Unterschiede zu überbrücken.
Diese Koexistenz von tierischem Instinkt und Vernunft deckt sich perfekt mit der Charakteristik der Schlaginstrumente und dem Schlagzeugspieler Isao san.
Es war mein Wunsch, dass Isao san in diesem Konzert, das ich mir mit Toshio Hosokawa teile, als „Symbol der Musubi (Verbindung)“ auftritt. Beinahe dreißig Jahre ist es her, dass ich Isao san zum ersten Mal beim Akiyoshidai International Composition Seminar und Festival getroffen habe, das Herr Hosokawa damals gerade gegründet hatte.
Ich bin voller Vorfreude darauf, wie Iso san, dem ich vollkommen vertraue, meine musikalische Umsetzung des Themas Gehirnfunktion und Gewalt, das mich seit vielen Jahren interessiert, aufführen wird.
(Misato Mochizuki, 2019)