Friedrich Schneider (1786–1853) Missa in a op. posthum
Urtext herausgegeben von Nick Pfefferkorn [GGch] Dauer: 30'
80 Seiten | 19 x 27 cm | 235 g | ISMN: 979-0-004-41351-7 | geheftet
Friedrich Schneiders Auseinandersetzung mit geistlicher Vokalmusik reicht bis in seine frühen Jahre als Gymnasiast in Zittau zurück. Da uns der Komponist heute – wenn überhaupt – nur als der Schöpfer des wegweisenden Oratoriums Das Weltgericht bekannt ist, sein umfangreiches Schaffen, das nahezu alle musikalischen Gattungen bedient jedoch weitgehend unbekannt ist, wird Breitkopf & Härtel diese Lücke in den kommenden Jahren sukzessive füllen.
Die hier vorliegende 8. Messe in a-Moll ist die zweite vollendete Vokalmesse Friedrich Schneiders. Sie entstand in der Zeit vom 9. bis 28. September 1815 und fällt damit noch in die Leipziger Jahre des Komponisten. Es greift nicht zu weit wenn man behauptet, dass Schneider sich mit seinen Messen die handwerkliche Sicherheit und den letzten Schliff für die saubere und oftmals überwältigende Chorbehandlung in seinen Oratorien erworben hat. Obwohl in der Mehrzahl ungedruckt geblieben, erfreuten sich Schneiders Vokalmessen großer Beliebtheit, was auch die zahlreichen Abschriften belegen, die in etlichen Bibliotheken überliefert sind.
Johann Christian Friedrich Schneider wurde am 3. Januar 1786 in Altwaltersdorf bei Zittau als erster der beiden Söhne des Schullehrers und Organisten Johann Gottlob Schneider (1753–1840) geboren, bei dem er auch ersten allgemeinbildenden Unterricht und Unterweisung im Instrumentalspiel (u. a. Klavier, Orgel, Violine, Violoncello und diverser Blasinstrumente) erhielt. Bereits während seiner Zeit am Zittauer Gymnasium, das er seit 1798 besuchte, entfaltete er bemerkenswerte kompositorische Begabung. Schnell stieg er als Mitglied des dortigen Schulchores zum Tenorsolisten auf und hatte zwischen April 1804 und Juli 1805 sogar den Posten des Präfekten inne. 1805 nahm er in Leipzig das Studium der „Humaniora“ auf und vertiefte seine musikalischen Kenntnisse bei August Eberhard Müller (1767–1817) und Johann Gottfried Schicht (1753–1823); auch Johann Friedrich Rochlitz (1769–1842), der Begründer der Leipziger Allgemeinen Musikalischen Zeitung, förderte ihn. Binnen kurzer Zeit bekleidete er eine Vielzahl musikalischer Ämter und Funktionen – u. a. war er ab 1810 Musikdirektor der Secondaschen Operngesellschaft, wurde 1813 Organist an der Thomaskirche, übernahm 1816 die Leitung der Singakademie und war seit 1817 als Musikdirektor des Stadttheaters tätig – wodurch er nach und nach zu einer der einflussreichsten Persönlichkeiten des Leipziger Musiklebens wurde.
Bereits 1812 heiratete er die Sängerin Elisa Geibel, die aber schon im darauffolgenden Jahr bei einer Totgeburt starb. Am 3. Januar 1815 vermählte er sich mit deren Schwester Katharina Maria. Aus dieser Ehe gingen zwei Jungen und zwei Mädchen hervor.
Obwohl er sich während seiner Leipziger Jahre unterschiedlichsten musikalischen Gattungen widmete, war er als Komponist vor 1820 noch wenig bekannt. Erst der unerwartete Erfolg seines zweiten Oratoriums Das Weltgericht, das am 6. März 1820 im Leipziger Gewandhaus uraufgeführt wurde, brachte den Durchbruch. Der Siegeszug des Werkes setzte sich in einer Vielzahl von weiteren Aufführungen fort und brachte Schneider überregionale Bekanntheit und nachhaltige Anerkennung ein. Im darauffolgenden Jahr trat er die Nachfolge des verstorbenen Leopold Carl Reinicke (1774–1820) als Herzoglich–Anhalt–Dessauischer Hofkapellmeister an und führte das Dessauer Musikleben zu neuer Blüte. Unmittelbar nach Dienstantritt reorganisierte er die Hofkapelle und hatte schon nach kurzer Zeit ein leistungsfähiges, weithin anerkanntes Orchester formiert.
Bereits ab 1822 veranstaltete er nach dem Leipziger Vorbild regelmäßige Abonnementkonzerte, gründete eine Singakademie und rief, zusammen mit dem Dichter Wilhelm Müller (1794–1827), die Dessauer Liedertafel ins Leben. Mit dem eigens organisierten Gymnasialchor und dem Männerchor des Lehrerseminars führte Schneider regelmäßige Kirchenmusiken in den drei Kirchen der Stadt ein. Im Zuge der deutschen Konservatoriumsgründungen eröffnete er 1829 eine Musikschule, aus der, bis zu ihrer Schließung im Jahre 1844, mehr als 120 Absolventen hervorgingen. Sein überregionales Ansehen wurde auch dadurch gefestigt, dass Schneider, neben seiner Kapellmeistertätigkeit bei zahlreichen Musikfesten, regelmäßig als Dirigent in Erscheinung trat. Engagements dieser Art übte er noch bis ins hohe Alter aus. Während seiner Dessauer Zeit entstanden vor allem Oratorien und andere geistliche Werke sowie Kompositionen für Männerchor. Ab etwa 1830 komponierte er zunehmend weniger und zog sich immer häufiger ins beschauliche Zerbst zurück, um sich seiner Vorliebe für Gartenliteratur und Astronomie zu widmen. Zu dieser Zeit gehörte Schneider mehr als 25 musikalischen Vereinigungen an. Unter den zahllosen Ehrungen die ihm zeitlebens zuteilwurden, ragen besonders die beiden im Jahre 1830 verliehenen Ehrendoktorwürden der Universitäten Halle und Leipzig, sowie die Ehrenmitgliedschaften in der New York Philharmonic Society, der Königlichen Musikakademie zu Stockholm und der Königlich-Dänische Dannebrog-Orden heraus.
Als er am 23. November 1853 starb, hinterließ er seiner Frau († 8. Januar 1857) einen Schuldenberg, der sie veranlasste, in der musikalischen Presse um Spenden aufzurufen.
Sein musikalisches Œuvre setzt sich aus 16 Oratorien, darunter Die Totenfeier (UA: 1821, Berlin), Die Sündfluth (1824, Köln), Das verlorene Paradies (1825, Magdeburg) und Christus, der Meister (1828, Nürnberg) sowie weiteren geist- lichen Vokalkompositionen, aber auch aus sechs Opern und einer ganzen Reihe von Instrumental- musikwerken zusammen. Darunter befinden sich 23 handschriftlich überlieferte Sinfonien, etwa 20 Ouvertüren, sieben Klavierkonzerte und eine nicht zu verachtende Anzahl von Kammermusikkompositionen. Er schrieb u. a. zehn Streichquartette und eine beachtliche Anzahl von zwei- und vierhändigen Klaviersonaten, Tänzen und Variationen sowie zahlreiche Klavierauszüge und sonstige Arrangements von Opern und Instrumentalwerken von Beethoven, Cherubini, Mozart, Spontini u. a. Seine Bedeutung und Anerkennung als Komponist hat Schneider im Wesentlichen dem gewal tigen Erfolg seines Weltgerichts zu verdanken.
Begünstigt wurde sein Erfolg im Übrigen auch dadurch, dass er die Anliegen der überall auf kommenden Musikfeste (etwa nach Kompositionen mit einer großen Anzahl von leicht zu singenden Chören) und des aufblühenden Chorgesangwesens zu bedienen verstand. In der zeitgenössischen Presse wurde er sogar als „Händel unserer Zeit“ tituliert.
Überdies wurden auch seine übrigen Oratorien und Werke anderer Gattungen von Publikum und Kritikern teilweise überschwänglich geschätzt und gewürdigt. Durch sein Engagement als Dirigent, Organisator und Komponist übte er maßgeblichen Einfluss auf die Musikfestentwicklung aus. So waren bereits die seit 1826 stattfindenden Elbmusikfeste untrennbar mit seinem Namen verbunden. Große Wertschätzung erwarb er sich unter Zeitgenossen auch als Chor- und Orchestererzieher sowie als Förderer des Männerchorwesens. Neben seinen Messen und Opern stießen namentlich auch Schneiders Lieder und Chöre bei Rezipienten auf wohlwollende Resonanz.
Nick Pfefferkorn